Friedhofsschänder von Konstanz vor Gericht

■ Staatsanwalt: „Jetzt geht es um Abschreckung“ / Hohe Haftstrafen gefordert

Konstanz (taz) – Seit Anfang der Woche wird vor dem Landgericht Konstanz gegen vier Männer verhandelt. Den zwischen 22 und 27 Jahre alten Angeklagten wird vorgeworfen, am Bodensee die KZ-Gedenkstätte beim Kloster Birnau und den jüdischen Friedhof in Wangen verwüstet zu haben. Außerdem müssen sich drei der Angeklagten wegen zweier Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte im Landkreis Konstanz verantworten.

In seinem Plädoyer ging Staatsanwalt Peter Eitze mehrmals auf den politischen Hintergrund der Angeklagten ein. Holger S. und Walter A. hatten über Jahre hinweg intensive Kontakte zur mittlerweile verbotenen NO („Nationale Offensive“) und zur HVD („Heimattreue Vereinigung Deutschland“), halfen an Wahlkampfständen aus und nahmen an Schulungen teil. Sascha M. war in süddeutschen Naziskin-Kreisen kein Unbekannter. Nach Einschätzung des Staatsanwalts seien die Angeklagten aber „keine politischen Gesinnungstäter“, sondern „kriminelle Straftäter“. Hinter der „Verpflichtung zum Deutschtum“ stecke ein Haß auf alles Fremde, auf Ausländer, Asylsuchende, Türken, Juden.

Bei dem Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Gottmadingen hätten sich die Angeklagten Walter A. und Holger S. „nahe am Tötungsvorsatz“ befunden, und es sei „reiner Zufall“ gewesen, daß die geworfenen Steine niemanden trafen. Alle Straftaten, wie auch die Friedhofsschändungen in Birnau und Wangen, habe die Gruppe gemeinsam vorbereitet und in verschiedenen Gruppen durchgeführt. „Jetzt geht es um Abschreckung“, so Eitze, „wir dürfen nicht nur nach links, sondern auch nach rechts reagieren.“ Der Staatsanwalt forderte mehrjährige Haftstrafen: vier Jahre und drei Monate für Walter A., vier Jahre für Holger S. und drei Jahre für Sascha M. Der vierte, Michael Z., gelte als „klassischer Mitläufer“: ein Jahr auf Bewährung.

Während des Prozesses erklärten die Angeklagten mehrmals, bei ihren Zusammenkünften mit NO- und HVD-Aktivisten habe man sich „meistens über Fußball unterhalten“. Ob er ein politisches Vorbild gehabt habe, wurde Walter A. gefragt. „Eigentlich nicht, Bismarck vielleicht.“ Die bei ihm gefundenen NS-Devotionalien seien Ausdruck seiner „Sammlerleidenschaft“ gewesen. Mit Ausländern hätte es „nie Probleme gegeben“, aber Asylbewerber, das gebe er offen zu, halte er für „Schmarotzer“. Zuerst kämen „die Deutschen, dann die anderen“. Walter A., in Deutschland aufgewachsen, ist italienischer Staatsbürger, in Südtirol geboren. Ausländerfeindlich sei der Walter nicht, sagte Holger S., „der ist schon mal mit einem Bosnier ins Fitneß-Studio gegangen“. Um Politik sei es ihnen nicht gegangen, erklärten beide, bei dem Anschlag auf ein Asylbewerberheim wollte man „denen nur Angst einjagen“. Den Zettel mit dem Hinweis: „Beim nächsten Mal fliegen Brandbomben“, müsse man nicht so ernst nehmen, „wir wollten die nur erschrecken“. Seit sieben Jahren wohne er in einer kleinen Wohnung, erzählte Walter A., „und da kommen Asylanten und kriegen Häuser, das hat mich aufgeregt“. Sascha C., Vater Kroate, Mutter Serbin, wäre gern „ein richtiger Deutscher“, mit „richtigem Paß“. Er war bei einem Brandanschlag auf ein noch unbewohntes Asylbewerberheim und bei der Zerstörung des KZ-Friedhofes beteiligt. Sein Motiv: „Ich war allgemein gefrustet.“ Angesprochen auf die Vorgänge in Solingen: „Das war doch zu streng.“ Die bei ihm gefundene Hakenkreuzfahne hätte „keinen politischen Hintergrund“. Die Anwälte der Angeklagten übten sich in Schadensbegrenzung. Ihre Mandanten, allesamt „Nachahmungstäter“, hätten „politisches Aufsehen“ erregen wollen, mit „falschen Mitteln“ zwar, aber ihre Motive seien „Frust und Neid“ gewesen, der politische Hintergrund eher „verschwommen und nebulös“. Für Martin Mußgnug, dem Anwalt von Holger S., fehle der Jugend eine „Vision von oben“. Mußgnug war früher NPD-Funktionär und ist heute bei der rechtsextremen „Deutschen Liga“ aktiv. Es täte ihnen leid, erklärten die Angeklagten jeweils in einem Schlußwort. Die Urteilsverkündung ist für heute vorgesehen. Holger Reile