Arbeitsamt mit „Republikaner“-Kurs

Ein Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit soll Migranten den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt verunmöglichen / Cohn-Bendit: „Institutionelle Diskriminierung“  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

„Ausgerechnet in einer gesellschaftlichen Situation virulenten Fremdenhasses trifft die Entscheidung der Bundesanstalt für Arbeit, nachgezogene Familienangehörige aus sogenannten Drittstaaten und Arbeitnehmer, die nicht über eine ,besondere Arbeitserlaubnis‘ verfügen, vom Arbeitsmarkt auszuschließen, auf völliges Unverständnis.“

Der Multikulturdezernet der Stadt Frankfurt am Main, Dany Cohn-Bendit, protestierte gestern in Frankfurt – zusammen mit zahlreichen Initiativen aus dem Sozialbereich, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Kommunalen Ausländervertretung – gegen die „institutionelle Diskriminierung“ von AusländerInnen ohne EG- Staatsangehörigkeit durch die Arbeitsämter. Mit dem Erlaß, so Cohn-Bendit, würden bestehende Arbeitsverhältnisse zerstört, Menschen künstlich in die Arbeitslosigkeit getrieben, Familien in soziale Not gestürzt – „und die ohnehin leeren Stadtsäckel entgegen der gebotenen Sparmaßnahmen weiter strapaziert.“

Ursache für die sich von Frankfurt/Main aus formierende „breite Protestbewegung“ (Berufsbildungswerk ENAIP), der sich gestern auch der Arbeitgeberverband Metall in Hessen anschloß, ist ein im März 1993 an alle Arbeitsämter ergangener Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, mit dessen Umsetzung arbeitserlaubnispflichtige ArbeitnehmerInnen aus dem deutschen Arbeitsmarkt herauskatapultiert werden sollen.

Klassenkampf von oben ist angesagt, denn der Erlaß teilt ArbeitnehmerInnen in zwei Kategorien ein: in „bevorrechtigte Arbeitnehmer“ wie Deutsche, Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft, ausländische Arbeitnehmer mit besonderer Arbeitserlaubnis und Ausländer mit Aufenthaltberechtigung – und in arbeitserlaubnispflichtige Arbeitnehmer. Eine allgemeine Arbeitserlaubnis soll von den lokalen Arbeitsämtern überhaupt nur noch dann erteilt werden, wenn es „trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten“ nicht möglich ist, einen freien Arbeitsplatz mit einem solchen „bevorrechtigten Arbeitnehmer“ zu besetzen.

Daneben soll mit einer „konsequenten und intensiven Arbeitsmarktprüfung“ selbst die Fortsetzung bereits bestehender Arbeitsverhältnisse durch die Nichterteilung einer erneut beantragten allgemeinen Arbeitserlaubnis sabotiert werden, falls geeignete „bevorrechtigte Arbeitnehmer“ arbeitslos gemeldet sind, so der Nürnberger Erlaß.

Der Erlaß, so Peter List vom Berufsbildungswerk ENAIP, schließe ausländische ArbeitnehmerInnen mit einer nur allgemeinen Arbeitserlaubnis auch aus den Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen der Arbeitsämter aus. Betroffen davon seien vor allem nachzugsberechtigte Familienangehörige von ausländischen ArbeitnehmerInnen aus Nicht-EG- Staaten und Flüchtlinge, die so keine Chance mehr hätten, sich für einen Arbeitsplatz in Deutschland qualifizieren zu können. List faßt zusammen: „Es geht hier um Türken und Polen, um Menschen aus den GUS-Staaten, aus Afrika und Asien.“

Für Pfarrer Detlef Lüderwaldt vom „Initiativausschuß ausländische MitbürgerInnen“ wurde mit dem Erlaß der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit – „ähnlich wie bei der Asylgesetzgebung“ – die rechtsradikale Hetzpropaganda geradezu geadelt: „Ausländer raus aus dem deutschen Arbeitsmarkt!“

Auch für Dany Cohn-Bendit ist der „eigentliche Skandal“ der, daß mit dem Erlaß den Forderungen der Rechtsradikalen, grundsätzlich „deutsche Arbeitsplätze für Deutsche“ zu reservieren, Rechnung getragen werde: „Das neuerliche Signal, daß Migranten und aufgenommene Flüchtlinge unerwünscht sind, nicht dazu gehören und – weil sie nicht arbeiten dürfen – Schmarotzer sind, die von Sozialhilfe leben, ist in Anbetracht der Toten von Mölln und Solingen fatal.“