■ Mit Thermoselect-Müllöfen auf du und du
: Geheimdiplomatie

Düsseldorf (taz) – Die neue „Technische Anleitung Siedlungsabfall“ hat in Deutschland einen Markt öffentlicher Aufträge im Umfang von etwa 50 Milliarden Mark eröffnet. Rund 100 neue Müllverbrennungsöfen sind zur Zeit in Planung, allein 20 in Nordrhein-Westfalen.

Seit Monaten sorgt ein Schweizer Ingenieur für beträchtliche Unruhe im Müllgeschäft. Er bietet ein „Thermoselect“ genanntes Verfahren an, das er in aufwendig inszenierten Pressekonferenzen als „Revolution in der Müllverarbeitung“ preist. Es handelt sich um eine Kombination von Trockung und Entgasung von Abfällen unter hohem Druck und einer Nachverbrennung der Reste unter hoher Temperatur, bei der weder Dioxine noch Furane entstehen sollen. Die – schwermetallhaltige – Schlacke soll immer noch als Baustoff verwandt werden können, behauptet die Herstellerfirma, die bislang allerdings nur ein einziges Pilotprojekt in Italien vorweisen kann.

Neben dem Kommunalverband Ruhr (KVR) haben das Badenwerk und das Berliner Unternehmen Alba bereits Lizenzen für die Thermoselect- Technik erworben. Auch nach Auffassung des Darmstädter Öko-Instituts stellt sie „eine Alternative zur herkömmlichen Müllverbrennung“ dar. „Thermoselect“, so urteilt ein Gutachten im Auftrag der Grünen Nordrhein-Westfahlens, „löst nicht das Abfallproblem. Es bietet aber für die Bewältigung des Restmülls eine umweltschonende Übergangstechnologie.“

Allerdings möchten sich auch die Darmstädter Prüfer nicht endgültig festlegen: Das Datenmaterial über die bislang einzige installierte Thermoselect-Anlage in Verbania am Lago Maggiore reiche für eine abschließende Beurteilung nicht aus.

Gerd Mai, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Düsseldorfer Landtag ist trotzdem optimistisch. Er hat gestern Bund und Länder aufgefordert, „alle Planungen zum Zubau von Müllverbrennungsöfen zu stoppen“ und „umgehend ein öffentliches Untersuchungsprogramm über die Thermoselect- Technik aufzulegen“. Geklärt werden müßten insbeondere die Energie-, Massen- und Schadstoffbilanzen für alle Betriebszustände der Anlage.

Aber auch den Düsseldorfer Grünen schwant nicht nur Gutes. Denn die Besitzverhältnisse der Firma Thermoselect sind bis heute völlig undurchschaubar geblieben. Mai: „Ich fordere das Unternehmen auf, die Phase der Geheimdiplomatie zu beenden und die Firmeneigner beziehungsweise Geldgeber zu offenbaren. Das gehört sich so in einer Wirtschaftsdemokratie.“ Johannes Nitschmann