Das Kreuz mit dem Kreuz im Klassenzimmer

■ Mit dem Religionsunterricht sind die Priester zurück an Polens Schulen

Seit dem Zusammenbruch des sozialistischen Regimes schwelt der Streit um den Einfluß der katholischen Kirche auf Polens Schulen. Der vom Parlament gewählte Bürgerombudsmann, Tadeusz Zilinski, kämpft jetzt vor dem Verfassungsgericht gegen die Einführung des Religionsunterrichts. Er wirft der katholischen Kirche vor, sich in staatliche Angelegenheiten zu mischen. Polnische Priester haben derweil damit begonnen, in den Pfarreien Unterschriften zur Absetzung des Ombudsmannes zu sammeln.

Zu kommunistischen Zeiten, als die Kirche legale Zuflucht für Oppositionelle und die Manifestierung katholischer Überzeugungen ein probates Mittel zum Ausdruck nationaler und antikommunistischer Überzeugungen war, waren Priester in den Schulen kein Thema – die Verfassung sah die strenge Trennung von Kirche und Staat vor. 1990 führte die Regierung unter Mazowiecki den Religionsunterricht an den staatlichen Schulen auf dem Verordnungswege wieder ein, um einerseits eine Parlamentsdebatte, andererseits aber auch den „Kampf mit der Kirche“ (so Sozialminister Jacak Kuron) zu vermeiden. Diese bestand schon damals darauf, Priester in die Schulen zu schicken.

Die Verordnung rief die noch zu kommunistischen Zeiten gewählte Ombudsfrau Ewa Letowska auf den Plan. Nachdem sie vor dem Verfassungsgericht geklagt hatte, wurde der Religionsunterricht per Gesetz wieder eingeführt. Ihr Nachfolger Zielinski versucht jetzt auf demselben Weg, Verordnungen zur Durchführung des Religionsunterrichts zu Fall zu bringen. Das Gericht gab Zielinski jetzt zumindest in drei wesentlichen Punkten recht: So dürfen die Schulbehörden die Religionsnoten nur noch dann in die Zeugnisse der Kinder eintragen, wenn der Unterricht auch tatsächlich in der Schule und nicht, wie häufig in Polen üblich, in der Pfarrei stattgefunden hat. Wer nicht am Religionsunterricht in der Schule teilnehmen will, muß das künftig nicht mehr förmlich erklären. Und: Anders als in Deutschland verliert ein Religionslehrer, dem die Lehrbefugnis von seinem Bischof entzogen wurde, damit nicht automatisch auch seine amtliche Lehrbefugnis.

In der öffentlichen Debatte war vor allem die Eintragung der Religionsnoten in den Zeugnissen umstritten. Wer Atheist sei oder eine Minderheitenreligion angehöre, für die keine Religionslehrer vorgesehen seien, werde durch das Fehlen der Note diskriminiert, argumentierten Polens Antiklerikale, die vor allem aus dem Umfeld der früheren Kommunisten, der Demokratischen Union und der Liberalen kommen. In einem Land, in dem die Bevölkerung zu mehr als 90 Prozent katholisch ist, sei es undemokratisch, die Kirche aus den Schulen und damit von dem von der Mehrzahl der Eltern gewünschten Einfluß auf die Jugend fernzuhalten, argumentierten die Bischöfe. Klaus Bachmann / Warschau