Paragraph 218

Mein Bauch gehört mir,

dein Bauch gehört dir,

sein Bauch gehört ihm,

ihr Bauch gehört uns,

unsere Bäuche gehören euch allen,

eure Bäuche werden immer fetter,

ihre Bäuche sind wieder unser.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Paragraphen 218 macht uns wütend. Die Gerichtsbarkeit ignoriert mit diesem Urteil die jahrelangen Kämpfe der Frauen in Ost und West. Weibliche Bedürfnisse und Lebensentwürfe werden negiert. Betrachten wir die Demontage des Paragraphen 218 im Zusammenhang mit den bevorstehenden Kürzungen des Mutterschaftsgeldes und des Kindergeldes sowie weiterer Sozialleistungen, zweifeln wir an, daß die Gesetzgeber den Schutz des geborenen Lebens im Auge haben. Wer sich der Verantwortung für das „werdende“ Leben nach neun Monaten völlig entzieht, dem geht es um etwas anderes.

Nett-liberal verpackt scheint das Gesetz uns Frauen nach wie vor die Freiheit zu bieten, über den Abbruch einer Schwangerschaft zu entscheiden. In Wirklichkeit ist es jedoch ein weiterer großer Schritt in Richtung Frauendiskriminierung. Ab dem 16. Juni ist eine nicht vergewaltigte, gesunde Frau, die eine ungewollte Schwangerschaft nicht auszutragen bereit ist, kriminell. Der Staat verzichtet auf Strafverfolgung, de facto sind die Frauen jedoch bestraft: sie allein tragen die Kosten für ihre „Tat“. Denn die „Solidargemeinschaft“ entzieht sich ihrer Verantwortung. Staatliche Einrichtungen dürfen von nun an den Eingriff nicht mehr vornehmen, KassenärztInnen haben ebenfalls keine Möglichkeit mehr, Frauen aus der dramatischen Situation ungewollter Schwangerschaft heraus zu helfen. Die einzige Möglichkeit, die (in der Bundesrepublik) bleibt, ist, eine Privatklinik aufzusuchen. Derzeit kostet ein Schwangerschaftsabbruch etwa 400 Mark, ein Anstieg der Kosten ist, wie auf dem „freien Markt“ üblich, zu erwarten.

Die Abschaffung der sozialen Indikation und damit die Abschaffung der Abtreibung auf Krankenschein, schafft erneut ein Zweiklassenrecht. Sie wird dazu führen, daß finanzschwächere Frauen – und das sind nicht nur arme! – wieder zu KurpfuscherInnen gehen und ihre Gesundheit und die Fähigkeit, Kinder zu bekommen, wenn nicht gar ihr Leben riskieren müssen.

Die Abschaffung der sozialen Indikation bedeutet eine tiefe Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes. Minderjährigen Frauen ist es nun nicht mehr möglich, ohne Wissen und vor allem ohne Erlaubnis ihrer Eltern eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen. Ebenso müssen Frauen, die finanziell von ihren Ehemännern/Partnern abhängig sind, eine Abtreibung mit diesen besprechen, ihnen gegenüber durchsetzen und sie darum „bitten“, den Eingriff für sie zu bezahlen. Frauen, die bisher oft ohne das Wissen ihrer Männer eine Abtreibung haben vornehmen lassen, weil diese dagegen waren, werden nun gezwungen sein, ihre ungewollten Schwangerschaften „zu Ende zu bringen.“

Die eugenische Indikation basiert auf der faschistoiden Einteilung in unwertes und wertes Leben, mit ihr maßt sich der Staat (mal wieder) an, zu entscheiden, welches Leben existieren darf und welches nicht. Grundlage dafür ist einzig und allein die kapitalistische Verwertbarkeit des jeweiligen Lebens.

Die kriminologische Indikation zwingt Frauen, eine Vergewaltigung zu „beweisen“: sie müssen den, wenn nicht erniedrigenden, so doch unangenehmen Weg zur (männlichen) Polizei und durch gerichtliche Instanzen gehen. Frauen, die sich davor scheuen, sind gezwungen, den Abbruch selbst zu bezahlen.

Die Möglichkeit für sozialhilfeberechtigte Frauen, einen Abbruch vom Amt bezahlt zu bekommen, ist nur auf einem unangenehmen Weg der Bloßstellung und Fürbitte zu erreichen. Lediglich die medizinische Indikation erlaubt eine relativ „instanzenfreie“ Abtreibung. Also erst, wenn ihr Leben in Gefahr ist, darf eine Frau über selbiges entscheiden.

Allen Konstrukten, unter denen eine Abtreibung und ihre Finanzierung in der Bundesrepublik in Zukunft möglich ist, ist gemein, da die Entscheidung einer Frau abzutreiben, von anderen Instanzen auf ihre Berechtigung geprüft wird. Von Selbstbestimmung kann da keine Rede mehr sein.

Während Frauen in den sogenannten Dritte-Welt-Ländern ohne ihr Wissen sterilisiert werden, um die Geburtenzahlen zu reduzieren, soll in Deutschland jedes gesunde, deutsche Kind – ob von seiner Mutter gewünscht oder nicht – zur Welt gebracht werden. Nicht der Schutz des ungeborenen Lebens liegt den Gesetzgebern und ihren Vertreten in den roten Roben am Herzen, nein, es geht ihnen darum, Frauen und ihre Körper, ihre Gebärfähigkeit, endlich wieder und mehr unter ihre Kontrolle zu bekommen. Die offene, öffentliche, staatliche Kriminalisierung der Frauen, die abtreiben, ist ein ausdrücklicher Beweis für diese Absicht. „Mein Bauch gehört dem deutschen Volk“, kommt uns irgendwie bekannt vor... Frauen aus dem Bund Deutscher PfadfinderInnen, Heidi Müller, Bundesvorstand, Hamburg