Billy the Kid spielt Ronald und George

■ US-Präsident Clinton läßt die US-Navy das irakische Geheimdienstzentrum in Bagdad zerstören / Vergeltung für geplantes Attentat auf George Bush / Kohl findet das klasse / Mindestens sechs Tote

Bagdad/Washington/Bonn (taz/dpa) – Mit einem Vergeltungsschlag für ein in Kuwait geplantes Attentat auf seinen Vorgänger George Bush, das nicht ausgeführt wurde, hat US-Präsident Bill Clinton die Tradition des Abenteurertums der amerikanischen Außenpolitik gewahrt. Gegen 23.20 Uhr hiesiger Zeit feuerten die Kriegsschiffe der US-Navy, „USS Peterson“ und „USS Chancellorsville“, die im Roten Meer und im Persischen Golf lagen, die ersten von insgesamt 23 Tomahawk Missiles auf das Stadtzentrum von Bagdad. Die radargesteuerten Raketen zerstörten die Zentrale verschiedener irakischer Geheimdienste, die im Golfkrieg schon einmal demoliert, aber später wieder aufgebaut worden war.

Da – wie der Generalstabschef Colin Powell einräumte – drei Tomahawks außerhalb des Zielgebiets niedergingen, wurden bei dem Angriff auch vier Wohnhäuser völlig zerstört und 33 beschädigt. Nach Angaben der BBC kamen sechs Menschen zu Tode, Dutzende wurden zum Teil schwer verletzt. „Wir bedauern, daß es Opfer und Schäden geben könnte“, räumte Powell ein. Dies sei jedoch „nichts im Vergleich zu den Opfern und Schäden“, die vom irakischen Staatschef Saddam Hussein in Kauf genommen worden seien, indem er auf den früheren US-Präsidenten George Bush in Kuwait einen Anschlag mit einer Autobombe geplant habe. Zugleich gab Powell bekannt, daß der Flugzeugträger „Theodore Roosevelt“ Kurs auf den Irak genommen habe.

Der Präsident der Vereinigten Staaten, Bill Clinton, begründete in einer Fernsehansprache „an die Nation“ die Aktion mit dem „zwingenden Beweis dafür, daß es tatsächlich eine Verschwörung zur Ermordung von Ex-Präsident Bush gab“, die vom irakischen Geheimdienst gesteuert worden sei. „Saddam hat wiederholt den Willen der internationalen Gemeinschaft verletzt, aber dieser Versuch eines Tyrannen, sich an dem Führer der Golf-Alliierten zu rächen, der ihn im Krieg geschlagen hat, ist sowohl ekelhaft als auch feige.“

US-Verteidigungsminister Les Aspin versuchte darüber hinaus, den Angriff mit einem Verweis auf den Artikel 51 der UN- Charta zu rechtfertigen. Darin ist das Recht zur Selbstverteidigung bei einem „bewaffneten Angriff“ festgeschrieben. Er warnte zudem Saddam Hussein vor dem Versuch einer Revanche. Dies wäre „sehr unklug“.

Ganz offensichtlich hatte der Angriff, wie dies bei US-Aktionen dieser Art üblich ist, nicht zuletzt innenpolitische Hintergründe. Bill Clinton, der nicht nur gegen den Vietnamkrieg protestiert hatte, sondern sich auch einem Einsatz in den Dschungeln Indochinas entzogen hatte, wollte zum einen seinen miserablen Ruf bei der Armee stärken. Zum anderen war dem jungen Präsidenten in den letzten Wochen zunehmend mangelnde Durchsetzungsfähigkeit vorgeworfen worden. In den Auseinandersetzungen um seine Wirtschafts- und Sozialpolitik wirkte Clinton eher wie ein Blatt im Wind, als daß er konsequent seine Ideen durchgesetzt hätte.

Die klassische Weltpolizisten-Aktion gegen Saddam wurde in den Vereinigten Staaten auch prompt als Beweis seiner leadership-Qualitäten anerkannt. Der Fraktionsführer der Republikaner im amerikanischen Senat, Bob Dole, begrüßte den Angriff: „Clinton hat genau das Richtige getan.“ Die Attacke fand auch in Interviews der amerikanischen Rundfunkgesellschaften allgemeine Zustimmung. Sowohl Abgeordnete und Senatoren der Republikaner wie der regierenden Demokraten stellten sich hinter Clinton.

Der Revolutionäre Kommandorat des Irak beschuldigte denn auch Clinton, er habe das „kriminelle Unternehmen“ gestartet, um jene zu widerlegen, die ihn als schwach bezeichnen“. Das höchste Gremium des Irak verurteilte den Angriff als „feige Aggression“. Zu den amerikanischen Angaben, der Angriff sei die Vergeltung für einen versuchten Mordanschlag auf George Bush, hieß es, dies sei von den „niederträchtigen Herrschern Kuwaits“ zusammen mit Mitarbeitern der US-Regierung erfunden worden. Sie strebten danach, „Krisen und Lügen hervorzubringen, um ihre kriminelle Politik gegen das irakische Volk fortzusetzen“.

Die westlichen Regierungen, von denen eine gutes Dutzend – ebenso wie die Vertreter im UN-Sicherheitsrat – vorab über den Angriff informiert worden waren, gaben gestern pflichtgemäß ihre Solidaritätsadressen ab. Die Nato will heute über die Situation nach der Attacke beraten.

Die Bundesregierung sieht nach den Worten von Bundeskanzler Helmut Kohl in dem Vorgehen der US-Regierung gegen den Irak eine „berechtigte Reaktion“ auf das versuchte Attentat auf Ex-Präsident George Bush. Helmut Kohl erklärte am Sonntag in Bonn, die Bundesregierung sei mit der US-Regierung gemeinsam der festen Überzeugung, „daß dem internationalen Terrorismus weltweit nur durch entschlossenes Handeln begegnet werden kann“.

Bündnis 90/Die Grünen verurteilte dagegen den nächtlichen „Vergeltungsterror“. Vorstandsmitglied Angelika Beer forderte alle Beteiligten auf, zu rechtsstaatlichen und zivilen Verfahren zurückzukehren. „Staatsterrorismus ist nicht durch Staatsterrorismus zu bekämpfen“, erklärte sie in Bonn. Die Politik der USA schwanke zwischen altbekanntem US- und neuem UN-Interventionismus.

Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10