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Kein reines Trendfutter mehr

■ Das Buch „Megatrends: Frauen“ verbreitet Optimismus – mit welchem Recht?

„Welche Trends müssen Frauen kennen, um jetzt und in der Zukunft mächtig sein zu können?“ Mit dieser Frage beginnt das Trendforscher-Duo Patricia Aburdene und John Naisbitt in ihrem neusten Buch „Megatrends: Frauen“ die Karrierevorbilder unter den zumeist US-amerikanischen Frauen auszugraben. Ganz in der Tradition des positive thinking wollen sie auf diese Weise dem Rest der potentiell karrieretauglichen (weiblichen) Welt auf die Sprünge helfen.

Daß Trend nicht gleich Trend ist, zeigt sich allerdings schon bei der deutschen Titelversion. „Megatrends for women“ heißt das Buch in der amerikanischen Originalversion, womit klar sein dürfte, daß Frauen das Buch mehr als Bedienungsanleitung für ihren weiteren Lebensweg verstehen sollten. Der deutsche Titel „Megatrends: Frauen“ dagegen suggeriert, daß Frauen selber der Trend sind – überall im Kommen. Bloß, warum hat das hier noch niemand bemerkt? Verehrte verunsicherte LeserInnen – Sie müssen nur an die Trendforschung glauben, und da gibt es erst mal einige Spielregeln zu erläutern. Da es anscheinend mit dem simplen Trend nicht mehr gedient ist, ist das Buch in zehn sogenannte Übertrends unterteilt, die wiederum an anderer Stelle auch als Megatrends bezeichnet werden. „Frauen und Beruf, Mode – die Reise ins eigene Ich“ und Die Arbeitsehepaare – Teamwork zu zweit“ heißen unter anderem die Überschriften, hinter denen sich die geballte Ladung Beweise für die Entdeckung der vermeintlichen Frauenpower im Berufsleben verbergen. Im Kapitel „Frauen und Politik“ erfahren wir so zum Beispiel, daß 1992 im Repräsentantenhaus der USA 28 Frauen unter 407 Männern sitzen durften. Dies als Erfolgsstory unter der Überschrift „Neue Wege zur Macht“ zu handeln, wie es das Autorenduo Aburdene/Naisbitt tut, bedarf schon einer gehörigen Portion Naivität. Um den deutschen LeserInnen nicht den Blick auf den eigenen Teller zu verwehren, wurde das Buch mit aktuellen Zahlen von heimischenr Frauenpower aufgefüllt. Etwa 30 Bürgermeisterinnen ritten 1990 auf deutschen Amtsschimmeln, der Anteil an Frauen in Führungspositionen beträgt derzeit zehn Prozent, unter insgesamt 1.878 Landtagsabgeordneten waren in der elften Wahlperiode 406 Frauen.

Daß Frauen auch im Sport einiges leisten und dem Irrsinn von immer „schneller, höher, weiter“ ihren Tribut zollen, ist ja nichts Unbekanntes. Ist es aber ein Erfolg, wenn Frauen den Ergebnissen der Männer im Sport hinterherhecheln und sie, wie Autor und Autorin voraussagen, im Jahre 1998 gleich schnell beim Marathon durchs Ziel sprinten? Daß es mehr als zweifelhaft ist, vermeintliche Sieger-Ideale anzubeten oder gar zu übertrumpfen, ist schließlich schon zur Genüge diskutiert worden. Angesichts dieser Fakten ist es mehr als fraglich, inwieweit die vorgestellten Frauenleben wirklich so trendy sind, wie die beiden Schreiberlinge meinen.

Beschäftigen Aburdene und Naisbitt sich jedoch mit Fragen, die nicht die Frauen allein betreffen, gewinnt „Megatrend: Frauen“ an Qualität. Der Ruf nach mehr Freizeit, weniger Streß und einer damit verbundenen Steigerung der Lebensqualität, von der im Endeffekt auch die Firma profitiert, wird in den höheren Etagen der Unternehmen immer lauter. Anhand mehrerer Beispiele zeigt das Autorenpaar, wie der Arbeitsalltag der neunziger Jahre aussehen könnte, wie sowohl Männer als auch Frauen Beruf und Familie erleben, ohne dem berüchtigten Burnout- Syndrom zu erliegen. Berufstätige Frauen verfügen in Deutschland übrigens über 66 Minuten weniger Freizeit als der Durchschnitt der Bevölkerung, fand das BAT-Freizeit-Forschungsinstitut heraus.

Neues Statussymbol der neunziger Jahre, so prophezeien Autor und Autorin, sei das Maß an Freizeit, das mit der Familie verbracht werden kann. „Wir glauben, daß die Familie sich nach Jahrzehnten der Zerrüttung auf eine neue Ära der Stabilität zubewegt.“ Ein Trend, ein Megatrend oder vielleicht sogar ein Hyper-Trend? Die Trendforschung allein weiß, was wir uns für die Zukunft wünschen, und schreibt es auf die schnelle herbei. Christine Berger

Megatrends:Frauen“ von Patricia Aburdene und John Naisbitt, Econ- Verlag, 1993, 498 Seiten, DM 49,-

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