■ Klaus Kinkel und der Somalia-Beschluß des Bundestages
: Unverzichtbarer Joker

An der Entschlossenheit der Bundesregierung, den Somalia-Einsatz unter allen Umständen voranzutreiben, gab es seit längerem keine ernstlichen Zweifel mehr. Auch gestern nicht. Während der Bundestag noch über die Fortführung der deutschen Mission debattierte, wurde in Mogadischu ein italienischer Soldat getötet, begannen kurz darauf US-Hubschrauber erneut die somalische Hauptstadt unter Beschuß zu nehmen. Wie viele Zivilisten den sogenannten Vergeltungsangriffen zum Opfer fallen würden, war zur Zeit der Bundestagsabstimmung noch offen. Doch die Öffentlichkeit hat sich daran gewöhnen müssen, daß derartige Marginalien weder Bundesregierung noch Parlamentsmehrheit irre machen können: die Bundeswehr, so die Sprachregelung, befindet sich in Somalia im humanitären Einsatz. Das gilt auch dann, wenn mittlerweile unstrittig ist, daß die deutschen Soldaten logistische Unterstützung für diejenigen Verbände leisten sollen, die direkt zur gewaltsamen Entwaffnung der Rebellen eingesetzt werden. Der Bundestag jedenfalls hat nichts dagegen. So erwies sich gestern die vom Verfassungsgericht angeordnete Entscheidung des Parlaments erwartungsgemäß als ein für die Regierung folgenloser Rüffel.

Kinkel, Rühe und Co können weiterhin Fakten schaffen, aus denen sich die neue deutsche Außenpolitik schon irgendwie ergeben wird. Während die Falken der Union bestenfalls noch lustlos bestreiten, daß es ihnen perspektivisch um die militärische Durchsetzung dessen geht, was wer auch immer als deutsche Sicherheitsinteressen definiert, darf Außenminister Kinkel noch ein bißchen den humanitätsduseligen Verantwortungskasper spielen. Mit seinen unnachahmlich menschlichen Erwägungen steuert er den Teil bei, den die Union benötigt, um ihr außenpolitisches Drängen gesellschaftlich abzusichern. Doch wenn es darum ginge, den liberalen Vorbehalt geltend zu machen, stände der Außenminister fest auf der Seite neudeutscher Staatsraison. Dann kommt neben deutscher Hilfsbereitschaft die internationale Erwartungshaltung und neuerdings der Anspruch auf einen Sitz im UN-Sicherheitsrat ins Spiel.

Daß Kinkel auf beiden Hochzeiten tanzt, macht ihn nicht nur unglaubwürdig, sondern verhindert auch, daß er die jüngst angedeutete Rolle des Vermittlers zwischen Union und SPD ernsthaft spielen könnte. Denn die schönen Argumente, die er im Munde führt, um die wachsende internationale Verantwortung der Bundesrepublik zu begründen, entwertet er umgehend durch eine Praxis, die die Gräben weiter aufreißt. Statt den Kompromiß vorzubereiten, treibt er die SPD nur weiter in die Defensive. Kinkel – ein unverzichtbarer Joker für die Unions-Strategen. Matthias Geis