■ Huren in Holland wollen raus aus der Illegalität
: Rotlicht in der Handelskammer?

Den Haag (taz) – Es gibt in den Niederlanden Steuerpflichtige, deren ernsthafter Wunsch, diese auch entrichten zu wollen, von den zuständigen Finanzbeamten meist nur mit einem hämischen Lachen quittiert wird. Die Gewerkschaft dieser werktätigen Frauen sah sich deshalb zu einer ungewöhnlichen Demonstration in der Geleenstraat in Den Haag gezwungen. Ihre Mitgliederinnen reklamierten dabei für sich das Recht aufs Steuerzahlen.

Theoretisch dürfen die Frauen, die von der Gewerkschaft „Der rote Draht“ vertreten werden, das schon seit einem Jahr. Seit kurzem müssen sie auch Mehrwertsteuern (BWT) berappen. Aber in der Praxis sieht das meist anders aus. Denn die Frauen arbeiten an besonderen, höchst umstrittenen Arbeitsplätzen. Diese befinden sich hinter rot ausgeleuchteten Fensterscheiben, die Frauen bieten so ihren Körper für meist 50 Gulden (45 DM) an.

In Amsterdam gehört der „Red light district“ längst zu den Touristenattraktionen, doch auch in anderen Städten wie Den Haag, Utrecht und Arnheim gibt es dergleichen. Und genau dort haben die raamprostituees Probleme mit den Steuerbehörden. Zwar dürfen die Gunstgewerblerinnen eine Miete von 75 Gulden pro Schicht von der Steuer absetzen. Doch, so „Der rote Draht“, in Wirklichkeit bekommen die Vermieter natürlich erheblich mehr, zwischen 125 und 150 Gulden. Aus Angst vor diesen trauen sich aber die Huren nicht, darüber offen zu reden und die von ihnen tatsächlich bezahlte Miete dem Finanzamt zu offenbaren.

„Der rote Draht“ plädiert daher einerseits auf völlige Offenheit, schon weil die Prostituierten ihre Tätigkeit endlich als „normalen Job“ anerkannt haben wollen. Auch eine Mitgliedschaft in der Handelskammer wird angestrebt. Andererseits gibt es laut Gewerkschaft noch immer viele Prostituierte, die nebenbei und „schwarz“ anschaffen. Die wollen nur ein paar Jahre in dem Job arbeiten, um dann von den Erlösen beispielsweise ein kleines Geschäft aufzumachen. Natürlich wären sie nicht glücklich, würde das Finanzamt sie offiziell als Prostituierte registrieren.

Die Regierung ist gerade dabei, den Prostituierten aus der Illegalität zu verhelfen. Die Gemeinden sollen jetzt den Vermietern der Fenster-Kammern eine Lizenz erteilen. Mehr Kontrolle soll mehr Schutz für die Frauen bedeuten. Allerdings liegt eine entsprechende Gesetzesänderung schon seit 1989 in den Ausschüssen der Zweiten Kammer, dem Parlament des Landes. Wann sie beschlossen wird, ist noch nicht abzusehen.

Weil das so lange dauert, preschen mittlerweile einige Vermieter schon vor. In Haarlem etwa, wo es nun strenge Auflagen hinsichtlich Brandschutz und Hygiene (Umziehkabinen und Toiletten) gibt, stiegen die Mieten in schwindelerregende Höhen: Bis zu 500 Gulden müssen die Huren nunmehr pro Mittag-, Abend- oder auch Nachtschicht hinlegen. Teurer ist es nirgendwo in den Niederlanden.

Deshalb denkt „Der rote Draht“ auch, daß durch die Besteuerung keineswegs ein besserer Schutz für die Frauen erreicht wird. „Die Lizenz bekommt ja der Vermieter und nicht die Frau.“ Außerdem würden durch Auflagen und Steuern viele Bordellbetriebe wieder in die Illegalität gedrängt. Das zeige schon das Beispiel Den Haag mit den angegebenen und den tatsächlichen Mieten.

Nicht zuletzt sei es ein Problem, weil das Finanzamt zwar die Prostitution als einen normalen Beruf behandeln muß, die Beamten aber immer noch lachen würden, wenn eine Frau kommt und ihnen von ihrem Job als „Hure“ erzähle. Falk Madeja