Roma in Dauchau fordern Bleiberecht

„Wir bleiben jedenfalls so lange in Dachau, bis man uns an den Haaren herausschleift oder eine andere Lösung gefunden hat“  ■ Aus Dachau Corinna Emundts

Dachau (taz) – „Ich halte rein gar nichts von dieser Demonstration“, sagt der Mann mit Jogginghose und Bierbauch; „was glauben sie, was wir Dachauer schon haben leiden müssen“. Er ist einer der wenigen Anwohner, der die rund 500 Demonstranten für ein Bleiberecht der Roma vom Straßenrand aus beobachtet. Fast menschenleer wirkt das saubere Wohngebiet, durch das sich der kleine Zug von Demonstranten mit starker Polizeibegleitung Richtung KZ-Gedenkstätte bewegt. Nur ab und zu ist ein Gesicht hinter einer Fensterscheibe zu erkennen.

Die Situation in Dachau ist verfahren. Da sind einerseits die Dachauer Bürger, die, genervt von der ständig präsenten Vergangenheit, kein Verständnis haben für die wenigen Aktivisten, welche die Interessen der Roma unterstützen. Andererseits geben der Pfarrer Heinrich Bauer und Diakon Peter Klentzan den Roma Rückendekkung gegenüber der wenig kooperativen Landeskirche und gewähren den mittlerweile rund 300 Flüchtlingen demonstrativ seit 12. Mai Kirchenasyl auf ihrem Gebiet.

Auch die Leiterin der KZ-Gedenkstätte vertritt die Interessen der Roma. Doch sie und die kirchlichen Helfer fühlen sich ihrerseits von den Flüchtlingsinitiativen, die am vergangenen Samstag zu einer Demonstration für das Bleiberecht der Roma in Dachau aufgerufen hatten, „planmäßig verarscht“, wie es Versöhnungskirchen-Mitarbeiter Gerd Peters nennt. „Die sollen doch da demonstrieren, wo die Verantwortlichen sitzen – in Bonn“, meint Diakon Peter Klentzan. „Gebracht hat diese mickrige Demo nichts“, sagt Gerd Peters, Mitarbeiter der Versöhnungskirche, „außer daß einige Roma durch das Polizeiaufgebot völlig panisch reagierten“.

Eine Situation, die ausweglos erscheint. Die Mitarbeiter der Versöhnungskirche werden vom bayerischen Innenministerium „massiv unter Druck gesetzt“ (Peters), das Dachauer Roma-Lager aufzulösen. In einer Besprechung zwischen ihnen und den Roma am Sonntag kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen.

Die Roma in Dachau bleiben bei ihrer Forderung, ein Bleiberecht zu erwirken, und setzen auf Zusammenhalt. Das Angebot von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, sich beim Bundesinnenminister für Einzellösungen einzusetzen, schlug einer der beiden Roma- Sprecher, Jasar Demirov, aus. „Das Angebot ist nur Augenwischerei“, sagt Claus Schreer vom „Münchner Bündnis gegen Rassismus, „weil viele Roma bereits durch alle Instanzen gegangen sind und bei einer Einzelfallprüfung keine Chance hätten.“

Der Hamburger Rudko Kawczynski, Sprecher des Roma National Congress (RNC), rückte vor zwei Wochen mit weiteren 200 Roma in Dachau an. Er will so lange auf dem KZ-Gelände bleiben, bis seine Forderungen durchgesetzt sind. „Das Hausrecht für das KZ haben wir uns mit den Opfern unserer Angehörigen hier erkauft.“ Am Tag vor der Demonstration hatten sich Demirov und Kawczynski in Bonn mit Rita Süssmuth und Hans-Jochen Vogel getroffen, die sich „bestürzt über unsere Situation“ gezeigt hätten, so Kawczynski. Sie einigten sich darauf, eine Petition im Bundestag und im Europäischen Parlament einzureichen. Kawczynski fordert eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, ähnlich der für Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, für die mittlerweile staatenlosen Roma aus Makedonien, die sich derzeit in Dachau aufhalten. „Man kann die Menschen nicht ins ehemalige Jugoslawien abschieben, wo sie der Verfolgung ausgesetzt wären“, sagt Kawczynski. Der erste Schritt wäre, einen Abschiebestopp zu erwirken, so der Roma- Sprecher. Bei der Europäischen Menschenrechtskommission hat Kawczynski bereits Klage eingereicht. Bis eine Antwort kommt, müßten die Roma zumindest geduldet werden. Kawczynski: „Wir bleiben jedenfalls so lange in Dachau, bis man uns an den Haaren herausschleift oder eine Lösung gefunden hat.“