■ Haitis weggeputschter Präsident darf in sein Amt zurück
: Pyrrhussieg für die Demokratie

Präsident Aristide darf nach Haiti zurückkehren, mehr als zwei Jahre nachdem er über einen blutigen Militärputsch ins Exil gezwungen wurde. Am Wochenende setzten sowohl Aristide als auch der Putschistenführer General Raoul Cedras ihre Unterschrift unter das von der UNO entworfene Abkommen. Widerstrebend. Denn die Militärs, die hinter Cedras stehen, wollten eine Rückkehr des populären Volkspriesters nicht zulassen. Und Aristide weiß, daß ihn der Kompromiß nicht vom Damoklesschwert weiterer Eingriffe der Armee befreit. Er muß nicht nur eine politische Amnestie für die Putschisten erlassen, sondern durch eine Generalamnestie auch die Verantwortlichen für über 4.000 Morde und ungezählte Folterungen von strafrechtlichen Konsequenzen freisprechen. Ein Pyrrhussieg für die Demokratie, der denn auch vom haitianischen Exil mit großer Skepsis aufgenommen wurde.

Die Militärs mußten sich beugen, weil das vor kurzem von der UNO verhängte Ölembargo diesmal wirklich auch von den USA ernst genommen wurde. Anders als sein Vorgänger Bush hat Bill Clinton ein Interesse daran, Aristide wieder in Port-au-Prince installiert zu sehen. Denn solange der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes im Exil sitzt, bleibt Haiti ein Unruheherd in der Karibik, den die Generäle zu einem Drogenumschlagplatz ersten Ranges gemacht haben und den Tausende teils Aids- infizierte Flüchtlinge gen Florida verlassen.

Schon die Pendelmission Dante Caputos, der als Sonderbeauftragter der OAS die Rückkehr Aristides verhandelte, war erst durch den Schwenk in Washington möglich geworden. Denn vorher gab es zwar Lippenbekenntnisse zur Wiederherstellung der Demokratie, doch Erdöl gelangte auf verschlungenen Wegen unter den Augen der US-Regierung ausreichend an die Putschisten. Caputo hat sich vor allem bemüht, die Parteien in ein Abkommen einzubinden, um die Lösung politisch tragfähig zu machen, und eine grundlegende Armeereform durchzusetzen, die der Karibikrepublik weitere Militärregimes ersparen soll.

In den zwei Jahren Diktatur wurde Aristides Lavalas-Bewegung brutal zerschlagen und in den Untergrund getrieben. Obwohl er die Massen und die Vereinten Nationen hinter sich weiß, wird der Präsident wohl ein Gefangener der traditionellen Parteien bleiben. Ob er in der ihm verbleibenden Amtszeit seine anspruchsvollen Pläne der Korruptionsbekämpfung, Aufforstung, wirtschaftlichen Wiederbelebung oder gar Alphabetisierung und Agrarreform auch nur ansatzweise durchsetzen kann, ist unter diesen Umständen mehr als zweifelhaft. Ralf Leonhard