Jerusalems palästinensische Presse vor dem Aus

■ Die Tageszeitung „Al Fajr“ will ihr Erscheinen einstellen / Finanzkrise der PLO

Tel Aviv (taz) – Paul Aljouny, der New Yorker Herausgeber der arabischen Ostjerusalemer Tageszeitung Al Fajr, hat allen Angestellten des palästinensischen Blattes Entlassungsschreiben zugehen lassen, die am 24. Juli in Kraft treten, falls bis dahin keine Lösung der finanziellen Probleme der 1972 gegründeten Zeitung gefunden werden kann. In einem Brief an alle Angestellten schreibt Jonathan Kuttab, der Jerusalemer Rechtsvertreter des Herausgebers: „Die finanzielle Krise, unter der alle unsere nationalen Institutionen leiden, hat jetzt auch Al Fajr erreicht.“

Aljouny erklärte, daß der Belagerungszustand, der durch die seit drei Monaten andauernde israelische Abriegelung Jerusalems von seinem palästinensischen Hinterland hergestellt wird, die Verkaufsmöglichkeiten und das Anzeigenvolumen der arabischen Tageszeitungen erheblich eingeschränkt hat. Die englische Wochenausgabe der Zeitung, deren Abonnenten vor allem im Ausland leben, wird einstweilen von der Schließung nicht mitbetroffen. Inzwischen ist der Geschäftsführer des Al Fajr-Verlages von seinem Posten zurückgetreten – angeblich aus Gesundheitsgründen. Chefredakteur Hanna Siniora, der sich im Ausland befindet, hat sich zur Krise einstweilen nicht geäußert.

Al Fajr ist nicht das einzige in Ost-Jerusalem erscheinende palästinensische Blatt, das seine finanziellen Probleme nicht mehr lösen kann. Asch-Schaab, eine der bekannten größeren Pro-PLO-Tageszeitungen in Ost-Jerusalem, hat vor ungefähr zwei Monaten ihr Erscheinen eingestellt. Übriggeblieben sind einstweilen Al Fajr, Al- Kuds, und die projordanische An- Nahar; nach der Schließung von Al Fajr wird es noch zwei palästinensische Tageszeitungen und einige Wochen- und Monatsblätter geben. Die Mehrzahl der 400 palästinensischen Journalisten wird im Zuge dieser Entwicklung arbeitslos.

Daß viele mit der PLO verbundene Publikationen nicht mehr „weiterkönnen“, hängt vor allem mit dem Fehlen finanzieller Unsterstützung ab, die in der Vergangenheit verschiedene mit der PLO verbundene „nationale Institutionen“ der Palästinenser erhalten haben. Seit dem Golfkrieg fallen arabische Hilfsfonds und private palästinensische Überweisungen so gut wie ganz aus. Die PLO selbst ist sichtlich nicht mehr in der Lage, ihre Subventionen für die wichtigsten palästinensischen Institutionen – darunter auch die verschiedenen Informationsbüros und Medien – in den besetzten Gebieten zu überweisen. Zu der Geldnot, die durch den israelischen Abriegelungsbeschluß und die damit zusammenhängende Arbeitslosigkeit verschärft wurde, kommt die drastische Einschränkung der Unterstützungsgelder, die in der Vergangenheit direkt oder indirekt aus den Fonds der PLO bezahlt wurden – zum Beispiel als Zubrot für die Familien von Inhaftierten oder zur Aufrechterhaltung von Schulen und Krankenhäusern.

Angesichts der ernsten wirtschaftlichen Krise in den besetzten Gebieten und bei der PLO besteht jetzt die Gefahr, daß der bisherige Informationsapparat der Palästinenser zusammenbricht. Möglicherweise ist dies dann auch der Übergang zu einer ersten „amtlichen“ palästinensischen Informationspolitik. Vor ein paar Tagen erklärte Radwan Abu Ajasch, der halboffizielle Koordinator für palästinensisches Radio und Fernsehen, daß er bei den israelischen Behörden um eine Lizenz für Radiosendungen angesucht hat. Seine palästinensische Radio- und TV- Behörde hat bei der EG um fachliche Beratung und finanzielle Unterstützung angesucht, und auch Japan würde an dem Aufbau der neuen Informationsinstitutionen beteiligt sein. Amos Wollin