Polizei legte Fährte zu Neonazi

■ Schanzenviertel: Henry Fiebig vom Staatsschutz enttarnt

Dilettantische Observierer des Hamburger Staatsschutzes haben offensichtlich zur Enttarnung des Neonazis Henry Fiebig vor drei Wochen im Schanzenviertel beigetragen. Das behauptet die GAL-Fraktion. Der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Peter Zamory verlangt nun vom Hamburger Senat Auskunft darüber, ob von der Geheimpolizei vorsätzlich die Preisgabe von Fiebigs Wohnanschrift in der Juliusstraße betrieben worden ist. Zamory: „Wenn ja: Welche Absicht hat der Staatsschutz damit verbunden und verfolgt?“ Wollte die Geheimpolizei womöglich militante Auseinandersetzungen zwischen Rot-Floristen und Neonazis provozieren?

Fiebig zählt zu den langjährigen Führungskadern der „Nationalen Offensive“. Mehrfach ist er – wie berichtet – mit den militanten Neonazis Christian Scholz und Willi Wegner in Erscheinung getreten und gilt als einer der Hauptakteure beim jährlichen Faschistenaufmarsch in Bayreuth. Mit Scholz wohnte Fiebig zuletzt im Karoviertel. Aufgrund der Sanierung weiter Teile des Karoviertels wies die Stadtentwicklungsgesellschaft (StEG) Fiebig eine Ersatzwohnung in der Juliusstraße zu - in unmittelbarem Blickkontakt zur Roten Flora.

Die StEG rechtfertigte ihre Entscheidung, ausgerechnet einen militanten Neonazi in das Szeneviertel zu setzen, mit dem Hinweis, daß sie sich nicht als „Gesinnungspolizei“ betätigen wolle. Man würde ja auch keine Linken bei der Wohnungsvergabe benachteiligten.

Daß diese Form der Wohnungsvergabe schief gehen mußte, war offenkundig auch den Sicherheitsbehörden von Anfang an bewußt. Vom Tag des Einzugs an observierte der Staatschutz den neuen „NO-Stützpunkt“ inmitten des Szenestadtteils – aber dilettantisch. Denn Aktivisten der Roten Flora, die sich noch gut an die Observationsaffäre um Knud Andresen und Ralf Gauger erinnern konnten, die dann im Plattenlegerprozeß endete, wurden auf die Geheimpolizisten aufmerksam. Sie wollten die Hintergründe der neuerlichen „Staatsschutz-Operation“ erkunden. Fiebigs Wohnung wurde „so auffällig überwacht“, so Peter Zamory, daß die Anwohner erst durch die unübersehbare Observation der Staatsschützer Rückschlüsse auf die Identität Henry Fiebigs ziehen konnten.“

Vor drei Wochen kursierte dann prompt ein Flugblatt durch das Viertel, in dem auf Fiebigs Vergangenheit und sein jetziges Domizil in der Juliusstraße hingeweisen wurde. Am Abend des 11. Juni versammelten sich 200 aufgebrachte AnwohnerInnen und versuchten, in das Haus einzudringen. Fiebig und sein Gesinnungsgesosse Christian Scholz leisteten Widerstand, verschanzten sich mit einem Schrotgewehr auf dem Balkon und schossen mit Leuchspurmunition in die Menge und später auf die Polizei. Erst nach zwei Stunden gaben die Neonazis auf und wurden von der Polizei abgeführt. Die Fahnder stellten (die taz berichtete) umfangreiches Propagandamaterial, Schußwaffen, Bestandteile von Sprengsätzen sowie fertige Brandsätze sicher.

Angesichts der Anschläge von Mölln und Solingen stellt Zamory die Frage nach der „Sensibilität“ der StEG: Von 24 Mietparteien in dem Haus sind 14 Mietparteien ausländischer Herkunft.

Peter Müller