Ökologie unter der Kosten-Nutzen-Schere

■ Was bleibt von der Philosophie der Ampel-Koalition? (I) Interview mit dem SPD-Politiker und Finanzsenator Volker Kröning

Vor zwei Jahren konnte die Bremer Ampel-Koalition als Projekt interpretiert werden, einen Kompromiß zu suchen zwischen sozialen, ökologischen und liberalen Wertorientierungen. Ein Modell für moderne, soziale und ökologische Polizik. Eine Alternative zum vereinigten Kohlland. Was ist davon geblieben? Wir wollen in einer kleinen Serie von Interviews diese Frage aufwerfen.

Ist die Ampelkoalition nur noch eine Notkoalition, weil es sonst keine Mehrheit in der Bürgerschaft gibt? Hat die Ökologie ihre Bedeutung verloren?

Kröning: Nein. Ich glaube, daß ökologische Ziele und Grundsätze in wachsendem Maße Eingang finden in Programmatik und Praxis aller Parteien und daß sie deswegen als Politik-Thema an Stellenwert verloren hat. Sicherlich wird für Ökologie in zunehmendem Maße gelten müssen...

... daß sie nichts kosten darf...

Nein, daß sie sich auch Kosten- Nutzen-Überlegungen unterziehen muß. Was wir heute nicht an Abfall-Politik machen, das belastet uns in der Zukunft.

Kurzfristig sind unökologische Lösungen billiger.

Deshalb haben ich nicht von der schlichten Formel gesprochen: Ökologie muß sich kurzfristig rechnen.

Müssen nicht Politiker, die über die nächste Wahl kommen wollen, kurzfristig denken?

Nein. Weder nur langfristig noch nur kurzfristig. Langrfristige Ziele müssen von hier und heute angesteuert werden.

In der Gewerbefächenpolitik gibt es einen klassischen Kon

Kröning, hier vor der Fieberkurve seiner Amtsvorgänger Foto: Tristan Vankann

flikt. Das Wirtschaftsressort sagt: Das Aufbereiten von alten, ungenutzten und verseuchten Industrie-Grundstücken ist teurer als neue grüne Wiesen umzuwidmen. Bremen braucht aber ganz kurzfristig Flächen für das Sanierungsprogramm.

Die Frage ist für mich einfach zu beantworten. Wir müssen die Ursachen unserer Haushaltsnotlage bekämpfen, das heißt: Eine aktive Wirtschaftsstrukturpolitik betreiben. Wir müssen im Falle einer Wiedererholung der Konjunktur imstande sein, auch Wachstumseffekte auf Bremen zu ziehen. Der Staat muß die Verbesserung der Infrastruktur ohne Verzug beginnen. Es ist notwendig, bald Flächen verfügbar zu machen, um regional und überregional akquierieren zu konnen. Und unter Haushaltsgesichtspunkten müssen wir den

hier das foto

von dem Mann mit

den Fotos an der Wand

Bedarf der Altlastenbeseitigung einfädeln in unsere finanziellen Möglichkeiten. Daher bin ich in der Tat der Meinung, daß wir Flächen, die erste recycelt werden müssen, zurückstellen müssen gegenüber Flächen, die wir sofort zur Verfügung stellen können. Die teureren Flächen können wir in der Zeit in ngriff nehmen, in der wir unsere Haushaltsnotlage überwunden haben. Das ist meine Differenz zu Herrn Fücks beispielsweise bei der Hemelinger Marsch.

Auch im Planungsrecht soll der Luxus aus den fetten Jahren der Republik jetzt abgebaut werden: Umweltverträglichkeitsprüfung und Planungsverfahren werden verkürzt und beschleunigt.

Es kann gar nicht angehen, daß wir solche Zielsetzuungen wie Vorrang des ÖPNV vor dem In

dividualverkehr preisgeben. Natürlich müssen wir gerade in Bremen Verkehrsprojekte zur überörtlichen Anbindung unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten und unter Umweltverträglichkeits-Gesichtspunkten durchbuchstbieren. Das haben wir auch bei dem Thema Wesertunnel getan. Unsere Industriegesellschaft wird die unerhörten kurz- und langfristigen Anforderungen des Interessenausgleiches im West-Ost- und im Nord-Süd- Verhältnis nur bewältigen, wenn sie das ökologische Denken verinnerlicht.

Sind die Grünen in so einer politischen Philosophie ein wichtiger Partner?

Ich glaube, daß der Zeitpunkt verpaßt ist, zu dem die offene oder verkappte Hoffnung der SPD aufgeht, die Grünen zu reintegrieren, die in vieler Hinsicht Abkömmlinge aus der SPD sind. Also muß man sich umgekehrt gegenseitig fordern. Wie die PD sich seit vielen Jahren ökologisch fordern läßt, kann mn es den Grünen nicht ersparen, sich von den Gesetzen einer ökonomischen Politik fordern zu lassen. Daran gebricht es beiden Seiten. Der wirtschaftspolitische Diskussionsstand ist in Bremen bei der SPD auch nicht weiter entwickelt als bei den Grünen. Wir müssen alles tun, um Arbeitsplätze zu sichern und Arbeitsplätze zu schaffen und die Abhängigkeit von sozialen Kompensationen jedweder Art zu verringern. Sonst können wir uns Ökologie an den Hut stecken.

Haben Sie einmal einem Parteifreund in Bonn gesagt: Die einzige Chance, Kohl abzulösen, ist die Ampel. In Bremen üben wir diese Politik?

Das ist eine eingebildete Erwartung der Bremer. Die Ampel hat einen miserablen Ruf.

Was gibt es denn in Bonn für eine Chance, die CDU abzulösen, wenn nicht durch eine wie immer gestaltete Ampel?

Die CDU muß auf Platz zwei gestellt werden. Für eine Ampel müßte die Bonner FDP eine vergleichbare Aufgeschlossenheit für eine Ampel-Politik entwickeln. Die steht übrigens bei der FDP in Bremen auf dem Spiel. Und dann gehört auf Bundesebene dazu, daß die SPD ein überzeugendes wirtschafts- und finanzpolitisches Profil gewinnt. Ich werde kein SPD-Konzept mitmachen, das die SPD auf die soziale Aufgabe beschränkt. Das ist vielleicht der eigentliche Grund des Scheiterns von Björn Engholm, daß er hier seinen Anspruch nicht realisieren konnte. Die SPD sieht im Moment danach aus, als gäbe es eine ökologische und eine wirtschaftspolitische Teilpartei.

Ich verstehe Sie so, daß es die SPD in Bonn in zwei Jahren nicht schaffen kann...

Bis vor kurzem war ich ganz skeptisch. Jetzt gibt es Anlaß zu neuer Zuversicht...

Wegen Scharping?

Nicht allein wegen Scharping.

Glauben Sie, daß die Bremer Ampel sich erholt?

Einer Reihe von Beteiligten traue ich das zu. Ich hoffe, daß sie sich gegenseitig noch nicht zuviel zugefügt haben. Int.: K.W.