Helft euch selbst

■ Bill Dukes „Die sieben besten Jahre“ – Liebe im Alter

Man kennt sie aus „Mondsüchtig“ oder „Magnolien aus Stahl“, sie spielen in Filmen mit, die „Mother“ heißen oder „Daddy“, und manchmal treten sie auf als Eltern ihrer eigenen Kinder. Bestenfalls erleben sie eine kleine verspätete Emanzipation, etwa von der Hausfrau zur Kellnerin. Aber meistens spielt Geld keine Rolle. Was nichts über ihr schauspielerisches Talent besagt: Hollywood-Stars wie Diane Ladd, Olympia Dukakis, Ellen Burstyn oder Danny Aiello sind schon lange auf den Part der älteren Generation abonniert, und sie absolvieren ihn mit Würde. Das bißchen Liebe, Hysterie und Aufregung, das ihnen die Drehbücher noch gönnen, hält sich vor allem in Maßen: jeder Fehltritt eine Nettigkeit. Man weint ein paar Tränen, lernt vielleicht nochmal Autofahren und stirbt einen stillen Tod. Natürlich behaupten die Drehbücher das Gegenteil: wahre Leidenschaft, die große Freiheit, ein Leben nach dem Leben. Aber die dezent aufmüpfigen Rentner mausern sich höchstens zu nützlichen Bürgern, die sich die Freiheit nehmen, noch nach der Pensonierung das Bruttosozialprodukt steigern zu helfen. Das Credo dieser Filme: Helft euch selbst. Wer krank ist oder deprimiert, ist selber schuld.

Bei jüdischen Beerdigungen werden die Spiegel mit Tüchern abgehängt. Esther haßt verdeckte Spiegel, sie geht lieber auf Hochzeiten. Mit einer jüdischen Hochzeit hatte die Geschichte von Esther, Doris und Lucille begonnen. Mit Selmas Hochzeit. Selma ist zwar auch nicht mehr die Jüngste, aber einmal im Jahr takelt sie sich auf, um einen alten Knacker zu heiraten, von dem sie sich wenig später wieder scheiden läßt. „In unserem Alter“, verrät sie Esther, „muß man aufpassen, daß man sich nicht mehr verliebt. Das Herz ist wie die Knochen: Es bricht leichter.“ Aber jetzt ist Esthers Mann gestorben, flirrende Geigen samt Harfenklang begleiten den Trauerzug, und das Klavier intoniert getrübte Erinnerung in Moll. So fabriziert Hollywood Nostalgie aus der Retorte, in letzter Zeit besonders gerne inklusive jüdischem Gemeindeleben als Lokalkolorit: „Die sieben besten Jahre“ wirkt wie die entschärfte Variante der „Herbstzeitlosen“.

Esther, Doris und Lucille bilden den Friedhofsclub. Regelmäßig gehen sie gemeinsam essen, regelmäßig lassen sie sich vom Kellner zur Aufmunterung jüdische Witze erzählen, die leider nicht komisch sind, und regelmäßig besuchen sie ihre toten Gatten auf dem Friedhof, plaudern mit den Grabsteinen – „Jetzt weiß ich wenigstens, wo du dich abends rumtreibst“ –, stecken die Köpfe zusammen, klatschen, keifen, streiten. Das tun alte Frauen immer im Kino. Ein ungleiches Trio: Esther, die Sanfte (Ellen Burstyn), Doris (Olympia Dukakis), die Verhärmte, und Lucille (Diane Ladd), die Panische: sie will keine Freudinnen, sondern einen zweiten Mann auf ihre alten Tage. Für ihr Alter, steht im Presseheft, kleidet sie sich immer ein wenig zu jung. Kleine Sünden straft der Mainstream sofort: So kriegt Esther den Witwer Ben (Danny Aiello), den Lucille ihr neidet. Esther hält sich an die Konvention. Esther und Ben verbringen eine Nacht im Hotel, heimlich. Sie hilft ihm beim Überstreifen des Kondoms. Zwei betagte Alte, verlegen wie Siebzehnjährige. Abblende und Reue am folgenden Tag. Eine Liebesszene, die der Film nicht nur nicht zeigt, sondern selbst als Andeutung verwirft. Das Happy-End führt vor, wie es sich gehört. Esther und Ben tanzen Tango, am hellichten Tag auf offener Straße. Wenn Alte sich lieben, wird es meist putzig im Hollywood-Kino. Kaum zu glauben, daß der schwarze Filmemacher Bill Duke („A Rage in Harlem“) für die Regie dieses angepaßten Rührstücks verantwortlich zeichnet. Christiane Peitz

Bill Duke: „Die sieben besten Jahre“ (The Cemetery Club), nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Ivan Menchell, mit Ellen Burstyn, Diane Ladd, Olympia Dukakis, Danny Aiello, USA 1993