Fahrt ins Ungewisse

■ Die letzten Roma haben Dachau verlassen und sitzen an der Grenze fest

München (taz) – Die Busse zur Abfahrt stehen schon an der Straße des Münchner Karlsplatzes bereit, als sich die Roma, samt Helfern und Unterstützern, noch einmal zu einer Demonstration auf dem Platz einfinden. Die Stimmung ist gedrückt, trotzig werden Schriftbänder, die „Bleiberecht für Roma“ fordern, den vorbeieilenden Passanten entgegengehalten.

Dieser Donnerstag abend ist das vorläufige Ende eines erfolglosen Versuchs der Roma, durch einen siebenwöchigen Aufenthalt in der KZ-Gedenkstätte einen Abschiebestopp für sich zu erwirken. Nach der Demonstration steigen die rund 70 Roma, darunter Frauen und Kinder, in die Busse und fahren Richtung Straßburg. Um vier Uhr morgens kommen sie am Freitag in einem Vorort von Kehl an, wo sie auf die größere Gruppe Roma treffen, die Dachau bereits am Vortag verlassen hatte. In Straßburg wollen sie mit Vertretern des Europäischen Parlaments und der Europäischen Menschenrechtskommission sprechen und gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention aufgenommen werden. Doch vorerst müssen sie auf der deutschen Seite bleiben, da die französische Grenzpolizei ihre jugoslawischen Pässe nicht anerkennt, so ein Sprecher des „Münchner Bündnisses gegen Rassismus“. „Wieder einmal hat diese Gesellschaft etwas durch Desinteresse ausgesessen“, sagt Grünen-Stadtrat Siegfried Benker. Er und Grünen-Stadträtin Angelika Lex sind die einzigen PolitikerInnen, die zur Demo kamen. Die Bundesregierung nehme die Opfer ihrer Politik nicht zur Kenntnis.

Pfarrer Heinrich Bauer unterstützt das Verhalten seiner Landeskirche nicht. Sie hätte der Räumung nicht zustimmen sollen. „Ich bin zwar erleichtert, daß alles ohne Blutvergießen abgegangen ist, aber völlig unzufrieden darüber, daß politisch nichts erreicht worden ist.“

Der 35jährige Tair hat es schwer, seinen vier Kindern die sich überstürzenden Ereignisse der letzten Tage zu erklären. Sie weinten häufiger als sonst, sagt er, „aber die wissen schon, daß wir auf der Suche nach menschlichem Recht sind“. Corinna Emundts