Ein Hüttendorf gegen den Müll

Es begann mit einer Protestkapelle, jetzt steht ein Protestdorf  ■ Von K. Wittmann

Mandlach/Kreis Aichach-Friedberg (taz) – Zum ersten Mal seit dem Ende der atomaren Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Wackersdorf gibt es in Bayern wieder ein Hüttendorf. Womöglich nicht mehr lange: Der Landkreis Aichach-Friedberg droht mit Räumung, das Ultimatum läuft am Montag um 12 Uhr ab.

Am Waldrand nahe der kleinen Ortschaft Mandlach entstanden über Nacht sieben massive Blockhütten als Zeichen des friedlichen Widerstandes gegen eine vom Abfallzweckverband Augsburg (AZV) geplante Reststoffdeponie. Die Schlacke aus der im Bau befindlichen großen Augsburger Müllverbrennungsanlage soll womöglich hier, nur wenige hundert Meter neben einem Badesee und Naherholungsgebiet, deponiert werden. Ein ähnliches Vorhaben im etwa zehn Kilometer entferten Inchenhofen wurde inzwischen wieder aufgegeben – aufgrund der geologischen Verhältnisse. Hier war im vergangenen Jahr in der Freinacht zum 1. Mai eine richtige Kapelle entstanden, die bundesweit als „Wunder von Inchenhofen“ Schlagzeilen gemacht hat. Kirchliche Würdenträger aus nördlichen Regionen der Republik hatten die Protestkapelle geweiht, nachdem der Augsburger Bischof der kleinen Kirche den Segen verweigert hatte. Mit der Protestkapelle, heißt es von offizieller Seite, habe es allerdings nichts zu tun, daß jetzt die Deponie woanders hinkommen soll.

Die Kapelle, für Landrat Theo Körner (CSU) ein Schwarzbau, steht noch immer. Und auch das Hüttendorf von Mandlach steht noch. Obwohl der Landkreischef die Protesthütten als rechtswidrig bezeichnet hat. An den Wochenenden treffen sich im ständig von einigen Familien bewohnten Hüttendorf Hunderte von Bürgern aus den umliegenden Gemeinden. Trotz strenger Kontrollen funktionierte allerdings bislang das „Frühwarnsystem“ in Mandlach so hervorragend, daß noch kein am Bau Beteiligter ausfindig gemacht werden konnte.

Ein uralter Bauer erntet allenthalben Zustimmung, wenn er sagt: „Ich bin gegen diese Deponie. Mir macht's zwar nix, weil ich nimmer lang leb'. Aber ich hab' Angst um meine Enkel.“ Unmut macht sich breit, wenn alle paar Stunden die Polizei kommt, Autonummern notiert, Personalien der Anwesenden aufnimmt. „Ein Polizeiterror ist das“, sagt ein 40jähriger Bauer. „Jeden Tag kreist auch noch der Polizeihubschrauber über uns. Wir sind doch keine Kriminellen. Wir lassen uns nur nicht länger zum Mülleimer der ganzen Region machen.“ Die Empörung ist deshalb so groß, weil der Landkreis Aichach-Friedberg seit Jahren auf die Sanierung einer mit Arsen verseuchten Hausmülldeponie wartet und darüber hinaus neben dieser Skandaldeponie auch noch eine große Sondermülldeponie betreiben wird. „Jetzt sollen wir auch noch jährlich 72.000 Tonnen giftiger Schlacke aufnehmen, obwohl wir im gesamten Landkreis im Jahr selbst nur 16.000 Tonnen Müll produzieren“, empört sich Rudi Haas, Mitglied im Landesbeirat des Bund Naturschutz in Bayern (BN) und Vorsitzender der „Aktionsgemeinschaft Rettet das Mandlachgebiet“.

Die Bürger fühlen sich vom Abfallzweckverband und ihrem eigenen Landrat verschaukelt. Der Kreistag hat vor kurzem mehrheitlich den Müllvertrag mit dem benachbarten Landkreis Augsburg abgelehnt. „Es ist ein Unding, daß wir die Restschlacke von 600.000 Einwohnern aufnehmen sollen, bloß weil wir für vier Jahre die Deponie des Landkreises Augsburg mit 60.000 Tonnen Müll beliefern dürfen“, erklärt Rudi Haas. Dem agilen Müllverbrennungsgegner flatterte vor wenigen Tagen ebenso wie dem Landwirt, der das Hüttendorfgrundstück verpachtet hat, ein Bußgeldbescheid über 3.000 Mark auf den Tisch. Doch dagegen wollen sich beide mit allen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln zur Wehr setzen. Sie schenken auch den Versprechungen von Landrat Theo Körner keinen Glauben, der überraschend im Hüttendorf aufkreuzte und verkündete: „Wir sind auf dem besten Weg, diese Restschlackendeponie zu vermeiden.“ Durch ein Schlackeaufbereitungsverfahren könnte man möglicherweise „so weit kommen, daß keinerlei Schlacke mehr übrigbleibt“, versprach er. Doch dem wollte so recht keiner im Hüttendorf Glauben schenken. „Das haben Sie uns doch schon einmal versprochen. Stoppen sie erst das Raumordnungsverfahren!“

Das Hüttendorf bleibe so lange stehen, bis ganz sicher sei, daß die Schlackendeponie tatsächlich nicht kommt, beteuern die Müllverbrennungsgegner, die mit ihren Blockhütten und den fröhlichen Grill- und Sportfesten im Hüttendorf auch gegen die eine Milliarde Mark teure Verbrennungsanlage protestieren wollen. „Zentrale Lösungen wie diese werden wir nicht akzeptieren“, sagt Robin-Wood- Aktivist Frank Klinkosch unter dem Beifall der Frauen und Männer im Hüttendorf.