Mit AFIS gegen Asyl-Sozialhilfebetrug

■ Sozialbehörde legte intern eine Bilanz vor / Sondergruppen machten 300 Festnahmen im Land Bremen

Das Thema „Sozialhilfebetrug durch Asylbewerber“ war ein typisches journalistisches Strohfeuer. Das geht aus einer Deputationsvorlage hervor, mit dem das Bremer Sozialressort jetzt über den Stand der Dinge berichtet hat. Unter dem Buchstaben F — Öffentlichkeitsarbeit“ der Vorlage steht verschämt: ist nicht zu empfehlen, um eine Diskriminierung von Asylbewerbern in der Öffentlichkeit nicht zu verstärken“.

In der Tat, so rechnet die interne Vorlage aus, werden jährlich in einer Größenordnung von vier Millionen Mark und mehr Sozialhilfe in Bremen unrechtmäßig durch Asylbewerber kassiert, die an der Grenze ohne gültige Papiere einreisten und in Deutschland mit verschiedenen Identitäten mehfach Sozialhilfe kassieren. Als das Thema öffentlich wurde, war es intern weitgehend geklärt: Seit dem Juni 1992 werden Asylbewerber in aller Regel erkennungsdienstlich behandelt, seit dem 1. April werden die Abdrücke automatisch im „Automatischen Fingerabdruck- Identifizierungs-System“ ( AFIS) gespeichert. Damit laufen Personen, die mit ihrem Finger einen zweiten Asyl-Antrag unter anderem Namen stellen wollen, erhebliche Gefahr, sofort aufzufliegen.

Das Problem des Sozialhilfebetruges von Asylbewerbern ist Schnee von gestern

Das Thema „Sozialhilfemißbrauch durch Doppel-Asylanträge“ ist somit eines der „Altfälle“: Die Mehrzahl der laufenden Asylverfahren hat vor dem 1. Juni 1992 begonnen, und es ist „aus Kapazitätsgründen“ dem Bundeskriminalamt angeblich nicht möglich, den AFIS- Computer mit den in der Zwischenzeit vor dem 1.4.93 abgenommenen Fingerabdrücken zu füttern.

In den Medien wurde, um dieses Problem zu lösen, zeitweise eine großangelegte Aktion „Zählappell“ debattiert: Alle Asylbewerber sollten ihre Sozialhilfe in denselben Stunden abholen, so daß Reisen an einen anderen Ort kaum möglich wären. Inzwischen haben die Innenminister der Länder davon aber Abstand genommen: Die Sozialbehörden könnten nur feststellen, wer nicht gekommen ist. Für eine Aufdeckung von Doppelidentitäten wäre der Vergleich mit den Fingerabdrücken von Personen erforderlich, die anderswo erschienen sind.

Da sich das Thema durch Zeitablauf erledigt, wollen die Sozialbehörden auf „vorzeigbare“ Großaktionen verzichten, mit denen die Politik in der Öffentlichkeit zwar „Handlungsfähigkeit“ unter Beweis stellen könnte, die aber effektiv wenig bringen würden.

Die Dimension des Problems, das durch den neuen Computer gelöst werden soll, ist gleichzeitig nicht unbeträchtlich: Seitdem die Kripo im Herbst 1992 eine Sondergruppe eingerichtet hat, sind in Bremen und Bremerhaven insgesamt 300 Festnahmen erfolgt. Die Sozialbehörde rechnet intern eine erhebliche Dunkelziffer von Personen hinzu, die durch die polizeilichen Aktivitäten abgeschreckt wurden.

Dabei sind die Mittel, mit denen die Behörde arbeitet, recht unzureichend: Besitz von teurem Schmuck, Anreise zum Sozialamt mit einem teuren PKW, verspätetes Abfordern von Sozialhilfe oder „Besitz von Monatskarten der Bundesbahn“ werden in der Ressort-Vorlage als Verdachtmomente genannt. Das meiste davon bekommt der Sachbearbeiter des Sozialamtes in aller Regel nicht mit. Wer dem Mitarbeiter der Sozialbehörde also nicht gerade den Brillianten unter die Nase hält, hat gute Chancen, sich nicht einmal verdächtig zu machen. Und wer einen Brillianten trägt, ist noch lange nicht als Sozialhilfebetrüger überführt.

Die Sozialbehörde vergleicht die Chancen, mit Sozialhilfebetrug erwischt zu werden, denn auch mit dem Risiko, beim Steuerbetrug erwischt zu werden: Die sind nur in Promille zu beziffern.

Mit einer kleinen Rechnung führt die Deputationsvorlage vor Augen, was die Anstrengung lohnt und wirklich helfen würde: Allein der rechtskräftige Abschluß von 500 „Altfällen“ des Bundesamtes in Zirndorf für Bremen würde sechs Millionen Mark Sozialhilfe Jahr für Jahr einsparen — mehr als durch die Ermittlungen gegen Sezialhilfebetrug und ohne daß das Land Geld für polizeiliche Sonderaktionen ausgeben muß. K. W.