■ Der kroatische Außenminister ist in Bonn zu Besuch
: Prügelknabe bittet um Verständnis

Man weiß nicht, was in der kroatischen Öffentlichkeit gegenwärtig schwerer wiegt – der allgemeine Unmut über Tudjmans Bosnien-Politik oder die Verzweiflung über die Politik des Westens gegenüber Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Am Samstag gab es in Kroatien eine Premiere: Eine kleine Anzahl von Bürgern versammelte sich in Zagreb zu einer Demonstration. Der Protest galt den Plänen, Bosnien- Herzegowina aufzuteilen, und das heißt auch den entsprechenden Strategien des kroatischen Präsidenten. Opfer dieser Politik ist nicht nur der gemeinsame bosnische Staat, sind nicht nur die geschundenen bosnischen Moslems, sondern auch die bosnischen Kroaten, die, durch Moslems vertrieben, zu Tausenden ins benachbarte Kroatien fliehen. Die kleine Zagreber Kundgebung drückt die Meinung des Großteils der schweigenden Bevölkerung aus, wie die Meinungsumfragen beweisen. Daß dabei verzweifelt westliche Hilfe gefordert wird, sollte wenigstens in Bonn aufhorchen lassen.

Der kroatische Außenminister Mate Granic hat bei seinem Besuch in Bonn die schwierige Aufgabe, angesichts Tudjmans verheerender Zweideutigkeit gegenüber Bosnien-Herzegowina eine Schadensbegrenzung zu versuchen. Er müßte die objektive Notlage Kroatiens samt dem Faktor der bosnischen Flüchtlinge begreifbar machen, sachliche Auskunft über kroatisch-moslemische Mißverständnisse anbieten und überzeugen, daß es keine generelle Feindschaft zwischen Kroaten und Moslems gibt und geben kann. Daß sich fast die gesamte bosnische Elite in Zagreb aufhält, ist nur ein Beweis dafür.

Die Bundesrepublik hat sich beeilt, Kroatien und Slowenien anzuerkennen, ohne ein politisches – republikanisches – und sicherheitspolitisches Konzept anzubieten und ihre europäischen Partner von ihm zu überzeugen. Mitterrands Vorliebe für Grenzänderung ist als Alternative noch nicht aus dem Spiel und wurde nie offen diskutiert. In dem zerfallenden Jugoslawien mitten im Pulverfaß Balkan die zwei Republiken anzuerkennen, ohne sie als zukünftige Stabilitätsfaktoren in dem Raum anzusehen, gleicht einer kriminellen außenpolitischen Leichtfertigkeit. Kohl & Co. könnten sehr wohl Einfluß auf die kroatische Politik haben, wenn sie ein politisches Konzept hätten. Statt dessen versucht man in Bonn, den Schwarzen Peter, den die gescheiterte Politik des Westens Deutschland zuschiebt, an Kroatien weiterzugeben. So wird man auch Bosnien-Herzegowina nicht helfen können, zumal es anscheinend keinen Menschen gibt, der über die politischen Vorgänge in dem zerstörten Staat Bescheid weiß – wohlmeinende Sympathisanten des bosnischen Staates inklusive. Dunja Melćić

Publizistin, lebt in Frankfurt am Main