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Unterm Strich

Wenn es um die Neuen Medien geht, neigt man hierzulande gerne dazu, sich von bloßen Möglichkeiten bestricken zu lassen. „Fast nichts wird nach Ansicht von Experten in naher Zukunft mehr unmöglich sein“, meldet der Ticker, und wir wären die letzten, an solcher Expertenmeinung herumzumäkeln. Nun allerdings spricht man vom „Beginn einer technologischen Revolution in Hollywood, die die gesamte Filmwelt verändern könnte“. Verstorbene Schauspieler könnten mit Hilfe von Computern wieder „zum Leben erweckt“ werden und eine Rolle in neuen Filmen spielen. Der Computer macht's möglich (virtual reality): Statt wirklicher Schauspieler aus Fleisch und Rotz verwendet man digitale Simulationen. Das ist schon alles wahnsinnig praktisch: „Die Studios könnten durch die neuen Technologien langfristig Produktionskosten einsparen, indem teure Reisen zu verschiedenen Drehorten entfallen. Erkrankt ein Schauspieler, kann weiter gefilmt werden – dank einer fotografisch genauen, lebenswirklichen Abbildung des Darstellers, die auf dem Computer-Bildschirm erzeugt wird.“ Schade nur, daß ein paar versprengte „Kunstethiker“ da noch Bedenken haben. Wir sehen das ganz unbeschwert, allerdings unter einer Bedingung: daß der Fortschritt der Technik auch vor der Simulation des Publikums keinen Halt macht, damit wir schön in eine Gastwirtschaft gehen können, um uns lieber das berühmte Gläschen zuviel zu genehmigen.

Die Dinge sind in einem anderen Bereich des kulturellen Lebens schon wesentlich weiter fortgeschritten. Das Kino ohne Schauspieler braucht ja immerhin leider noch Regisseure. Wenn wir den Nachrichten von einem gelungenen Experiment trauen können, die nicht zufällig ebenfalls aus den Staaten zu uns herübergeweht sind, dann ist der von den Avantgarden so bitter herbeigesehnte Tod des Autors zum Greifen nah und wir können uns bald nicht nur das Kinogehen, sondern auch das frühe Aufstehen sparen, ohne welches die verehrte Leserschaft bislang noch nicht zu ihren morgendlichen Kurzmeldungen kommen kann: Der erste Roman, der von einem Computer geschrieben wurde, liegt endlich vor. „Just This Once“ (Nur dieses eine Mal), hören wir, präsentiert sich auf 295 Seiten als „saftiger Liebesroman“. Als Autor zeichnet Hal, ein Computer, verantwortlich. Mit künstlicher Intelligenz und Weisheiten aus dem Werk der Bestsellerautorin Jacqueline Susann gefüttert, setzt der Computer ihren Trivialstil in seinem Elektronik- Opus fort. Das wirft ein düsteres Licht auf die Berufschancen selbst eines qualifizierten Fachredakteurs. Morgen setzt allerdings noch einmal die geschätzte Alltagskulturredakteurin, gefüttert mit den Weisheiten aus allen verfügbaren Quellen des göttlichen und menschlichen Wissens, den Edelstil dieser Seiten fort und bietet dem Vormarsch der Maschine unerschrocken die blanke, gedankenbergende Stirn.

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