■ Die dänische Justiz erschließt neue Betätigungsfelder
: Kriminelle Müllsortierer

Kopenhagen (taz) – Gleich mit zwei neuen Abarten schwerer Kriminalität wurde die dänische Öffentlichkeit in den letzten Tagen konfrontiert. Die Phantasie der GesetzesbrecherInnen scheint keine Grenzen zu kennen – oder ist es eher die der Justiz? Die Frage stellt sich bei beiden neuen Delikten, die erstmals mit Geldbußen bestraft wurden: Falschsortiererei und Leiterklettern.

Der unrichtigen Sortierung von Abfall wurde eine türkische Einwandererfamilie in Albertslund überführt. 500 Kronen Strafe mußte sie zahlen, für wiederholt falsches Einsortieren in die Müllbehälter. Konkret: im Behälter für organischen Abfall war mehrfach „normaler“ Hausmüll gelandet, so daß der organische Abfall angeblich nicht mehr ordnungsgemäß zu kompostieren war.

In Albertslund wird getrennt sortiert: Glas, Papier, organischer Abfall, Restabfall. Hier wohnen auch viele ausländische Familien, die in der Anlaufphase Probleme mit der richtigen Sortierung hatten, wie der kommunale Müllchef Joan Stubtoft aufmerksam beobachtete: „Wir haben deshalb extra Informationsblätter in der Heimatsprache verteilt und mehrfach persönlich die Einhaltung der Sammelvorschriften angemahnt.“ Bei der jetzt verurteilten Familie hatte dies angeblich nichts genutzt, so daß sich für Stubtoft die „Frage stellte, ob da nicht bewußt sabotiert wird“. Ein Frage, die er für sich mit ja beantwortete und Polizei und Justiz bemühte. Die Erklärung der Familie, die Kinder würden bei ihnen den Abfall in die Tonnen bringen, fand kein strafmilderndes Gehör: diese müßten dann eben entsprechend aufgeklärt und überwacht werden. Der Clou, der Dänemarks Justiz die Jagd auf FalschsortiererInnen erleichtert: Es gibt abschließbare Tonnen für jeden einzelnen Haushalt. Der böse Nachbar kann also durch gezieltes Fehlwerfen keinen Falschverdacht erregen. Fällt aber auch als bequeme Ausrede flach.

Auf flachem Gelände hätte sich mal lieber auch ein 70jähriger Rentner aus Ribe bewegen sollen, der einen Bußgeldbescheid über saftige 10.000 Kronen (ca. 2.500 Mark) erhielt. Der pensionierte Lehrer hatte sich besonders gemeinschaftswidrig verhalten. Sein Delikt: Er war auf eine Leiter gestiegen, um etwas an der Hauswand zu reparieren. Er wollte hoch hinaus, ungefähr fünf Meter, doch war diese Himmelsstürmerei zur Schadensbehebung notwendig, und der gute Mann fühlte sich fit für die Tat. Er wäre vermutlich auch gut wieder auf die Erde gekommen, wäre nicht zufällig ein Polizeibeamter vorbei gekommen. Dieser erkannte gleich das Risiko und befahl dem Rentner, sofort herunter zu kommen. Doch der Mann stand schließlich nicht zum Spaß da oben, er wollte Geld für einen Handwerker sparen, also setzte er seine Arbeit mit Hammer und Nägeln fort. Der diensteifrige Polizist holte Verstärkung, und ein geballter Polizeieinsatz brachte den sich sträubenden Rentner auf den Erdboden zurück. Ein Einsatz, der nach Beobachtung von PassantInnen den alten Mann vermutlich mehr gefährdete als sein gewagter Ausflug. Daß Leiterklettern strafbar ist, erfuhr er einige Wochen später. Nach dem Arbeitsschutzgesetz, das auch für Arbeiten im eigenen Haushalt gilt, ist es bei Strafe verboten, sich selbst zu gefährden. Grund: Ein Unfall würde die öffentlichen Kassen belasten.

Selbstgefährdung als strafbare Handlung, weil Kosten für die Allgemeinheit entstehen? RaucherInnen und BiertrinkerInnen, ZuckeresserInnen und AutofahrerInnen, aber auch RadfahrerInnen und FußgängerInnen könnten abgeschöpft werden. GesetzesmacherInnen aller Länder, ein weites Feld wartet auf Bestellung! Reinhard Wolff