Bruder des Dalai Lama in China

■ Delegation der tibetischen Exil-Regierung / Will Peking über „vertrauensbildende Maßnahmen“ verhandeln?

Berlin (taz) – Eine Delegation hochrangiger Exil-Tibeter befindet sich seit Montag zu Verhandlungen in Peking. Sie wird vom Bruder des Dalai Lama, Gyalo Thondup, angeführt, der als dessen „persönlicher Botschafter“ fungiert. Begleitet wird Thondup von Sonam Topgyal, einem Mitglied der tibetischen Exil-Regierung, die ihren Sitz in der nordindischen Stadt Dharamsala hat. Die Teilnahme von Topgyal sei „erstaunlich“, meinen Tibet-Gruppen im Ausland, da Peking es bislang stets abgelehnt habe, mit einem Vertreter der von China nicht anerkannten Exil-Regierung zu verhandeln.

Der Bruder des Dalai Lama ist nach Informationen des in London ansässigen „Tibet Information Network“ seit seinem ersten Besuch 1979 bereits mehr als zehn Mal zu Gesprächen nach China gereist, zuletzt halboffiziell im Jahr 1992. China machte Verhandlungen über die Zukunft Tibets bislang stets davon abhängig, daß die TibeterInnen ihre Forderung nach Unabhängigkeit aufgeben – und daß sie nicht mehr behaupten, jemals eigenstaatlich gewesen zu sein. Nachdem die Kommunistische Partei 1949 die Macht in China übernahm, hatten ihre Truppen Tibet im Jahr 1951 besetzt. Später erklärte Peking einen Teil des tibetischen Gebietes zur „Autonomen Region Tibet“. Andere Teile, in denen heute fast drei Millionen TibeterInnen leben, wurden mehreren chinesischen Provinzen zugeschlagen. Der Dalai Lama floh 1959, nach einem gescheiterten Aufstand der TibeterInnen, nach Indien. Während der Dalai Lama in den vergangenen Jahren nicht mehr auf einer vollständigen Unabhängigkeit Tibets von China bestanden hat, habe er sich jedoch geweigert, „die Geschichte umzuschreiben“, mutmaßen Beobachter. Um ausländische Investitionen nach Tibet zu locken, könnte China nun bereit sein, die Frage des Status Tibets zunächst auszuklammern. Statt dessen solle über „vertrauensbildende Maßnahmen“ gesprochen werden. Dazu könnte eine Zusammenarbeit mit Exil-TibeterInnen in der Wirtschaft und im Rahmen des Ausbildungs- und Gesundheitswesens gehören, wie der Dalai Lama wiederholt vorgeschlagen hat. Jutta Lietsch