„Frühere Schwestern, vereinigt Euch“

■ Die Belgrader Oppositionsgruppe „Frauen in Schwarz“ analysiert die Brutalitäten des Krieges auf dem Balkan

„Frühere Schwestern, vereinigt euch“ stand auf dem Button, den eine der drei Belgraderinnen an ihrer Bluse stecken hatte, als „die Frauen in Schwarz“ bei einem Besuch der Bundesrepublik von ihrer Oppositionsarbeit berichteten. Der Button war ein Geschenk von Freundinnen aus Zagreb. Seit Oktober 91 demonstrieren die „Frauen“ jeden Mittwoch in Belgrad gegen den Krieg.

Seit Beginn des Krieges in Jugoslawien werden von Feministinnen seine spezifischen Auswirkungen gerade auch auf Frauen öffentlich gemacht. Vor dem Krieg, als die Zahl der Waffen in Belgrad zunehmend anstieg, wurden damit auch Frauen und Kinder bei Familienstreitereien immer häufiger bedroht. Heute sprechen die Belgraderinnen nun „vom zunehmenden Erfindungsreichtum an Brutalitäten gegen Frauen“. „Negative Solidarität“ nennen sie, „daß Männer ihren Frauen immer öfter damit drohen, sie würden auch von den Kumpeln, mit denen sie an der Front kämpfen, bestraft.“ Ein anderes Gewaltphänomen sei das „Post-TV-Nachrichten-Syndrom“. Im Anschluß an die Fernseh- Kriegsberichterstattung werden Frauen verstärkt mißhandelt.

Wie sehr Vergewaltigung in der Ideologie des Krieges verankert ist und auch gegen die eigenen Frauen gerichtet wird, wissen friedensengagierte Belgraderinnen spätestens seit 1991. Als sie damals zum Parlament zogen, um gegen den Krieg zu protestieren und dabei ein Transparent mit dem Slogan „Make love, not war“ zeigten, wurde ihnen geraten, doch nach Zagreb zu gehen und sich von kroatischen Soldaten vergewaltigen zu lassen. Der Feind sei das Andere, sagt die Philosophielehrerin Nadežda Ćetković, Frauen aber waren immer das das Andere. Das, was Danica Drašković, die Frau des Oppositionsführers, bei ihrer Verhaftung erlebte, sei nur ein Beispiel mehr. Zusammengeschlagen, beschimpft, eventuell vergewaltigt.

Obwohl die „Frauen“ die politische Richtung der „serbischen Erneuerungspartei“ Draškovićs kritisch beobachten, halten sie zur Zeit eine Allianz der Oppositionsgruppen für notwendig. „Daniza Drašković war die erste politische Persönlichkeit in Serbien, die im Fernsehen gesagt hat, daß Drašković keinen Grund habe, in den Krieg zu gehen.“

„Wenn die Gewalt gegen Frauen aufhört, hört der Krieg auf“, sagen die „Frauen in Schwarz“ und an dieser positiven Utopie halten sie fest: „Gewalt gegen Frauen sichtbar zu machen, ist die subversivste Idee dieser Zeit“. Neben der politischen Arbeit haben sie vor ein paar Monaten auch die Arbeit mit Flüchtlingen aufgenommen – der Zwiespalt zwischen traditioneller humanitärer Frauenarbeit und politischer Frauenarbeit brach auf. Die Geschichte eines Mädchens, das durch eine Tretmine beide Beine und ein Auge verloren hat, zuvor aber selbst Minen legte, macht den Konflikt deutlich. Eine Öffentlichkeit herzustellen für alles, auch für das, was nicht erklärt werden kann, ist die politische Lösung der „Frauen in Schwarz“. Waltraud Schwab