Zurück zu Glanz & Gloria

■ Unter jedem Dach ein „Ach“ (10): die Kunsthalle, ein glanzloses Schmuckstück

Um Elf zu Beckmann. Schön; doch, ja: Das muß sein beim Kunsthallen-Rundgang. So kann man's anfangen. Dann die Niederländer, so gegen Zwölf. Da kommt ein spätes Frühstücks-Stilleben ganz gut. Mittagsmahl im „Kukuk“, dann den prachtvollen Cranach zum Nachtisch — halt: Der hat zu. Abteilung „Cranach“ ist künftig nur noch vormittags geöffnet, am Nachmittag gibt's dafür die Italiener. Oder war's umgekehrt? ... So ein Besuch in der Kunsthalle kann künftig zur Herausforderung für jeden Terminplaner werden. Folgen des Personalmangels im Hause: Gerade mußten sich die BesucherInnen an kürzere Öffnungszeiten gewöhnen, da überlegt der Kunstverein, ganze Abteilungen stundenweise zu schließen — eine Notbremse, die Kunstinstitute in anderen Städten längst gezogen haben; eine Kleinigkeit, vielleicht — aber auch ein Symptom für das beschämende Siechtum im ersten Kunsthaus am Platze.

Nun ist die Klage lang und laut: kein Personal, kein Geld für größere Ausstellungen, das Haus verfällt — ja: „Die Kunst verkommt“ im maroden Haus, wie aus dem Vorstand des Kunstvereins verlautet. Claus-Hermann Wencke hält den Betrieb inzwischen für „bewegungsunfähig“. Schon wird die Stadt beklagt. Sie müsse, qua Vertrag, dafür sorgen, daß die Kultur-Institutionen überlebensfähig blieben.

Derzeit bezieht der Verein jährlich knapp zwei Millionen Mark von der Stadt. Der große Rest sind Mitgliedsbeiträge und Spenden. Nicht genug zum Leben und zuviel zum Sterben für die Kunsthalle — da scheint man sich im Vorstand einig. Selbst Vorsitzer Rudolf Blaum, dessen Arbeitszimmer immerhin ein Stickbild mit der Inschrift „Wehre der Wallung“ schmückt, spricht von einer „desolaten Lage“, weil der Vertrag zwischen Stadtgemeinde und Verein „längst ausgehöhlt“ sei. In die Initiative aber geht nun erstmal die Stadt: Gerhard Schwandner, Staatsrat im Kulturressort, will auf eine Veränderung des alten Vetrages von 1959 drängen. In den nächsten Tagen sollen die Vereinsleute Post von ihm bekommen: eine Liste mit Veränderungswünschen unter dem Arbeitstitel „Der Kunstverein soll schöner werden.“

Forsch kündigt der Staatsrat ein „Updating des Vertrages“ an. „Größere Flexibiltät und mehr Selbstbestimmung“ sollen im Verein Einzug halten. Die Mitglieder könnten demnach, unabhängig von Wünschen des Kulturressorts und der Deputation, ihren kompletten Vorstand selbst wählen. Auch in Personalfragen soll der Verein autonomer entscheiden dürfen. Und das Geld, so überlegt Schwandner, könnte in einer Art jährlichem Pauschalbetrag dem Verein zur Verfügung gestellt werden — das freilich ähnelt der jetzigen, allseits bejammerten Situation verdächtig: Ein Posten von gut 1,7 Millionen Mark, der dickste Brocken im Haushalts-Paket für die Kunsthalle, geht derzeit an den Verein, aber verfügbar ist nach Darstellung des Vorstandes praktisch nichts — fast alles werde von Personalkosten aufgefressen.

Mit eigenen Vorschlägen zur Milderung der Misere hält sich der Vorstand selbst erstaunlich zurück. Blaum hält es für möglich, angesichts der chronischen Geldknappheit das Ausstellungs-Programm weiter zu schmälern, mit mehr kleinen Studio-Ausstellungen und Kabinettstückchen. Von falscher Bescheidenheit rät sein Vereins-Kollege Wencke ab: Auch eine Ausstellung aus eigenen Beständen — wie zuletzt die jammervolle Niederländer-Schau - müßte künftig „mit Glanz und Gloria präsentiert werden.“

Mit wessen Geld aber? Die Stadt kann und will's nicht bringen. Schwandner gibt dem Verein den nicht ganz neuen Rat, sich nach „anderen Quellen“ umzusehen. Vielleicht in den eigenen Reihen? Da winkt der Vorstand ab. Der Mitgliedsbeitarg von 60 Mark pro Jahr dürfe keineswegs erhöht werden, sagt Blaum: „Wir wollen den Kunstverein nicht zu einer Sache für Besserverdienende machen.“ Und wer spenden wolle, der könne das doch gern in beliebiger Höhe tun. Thomas Wolff