Algen statt Seerosen

■ Berliner Gewässer sind überdüngt, aber nur schwach mit Fäkalbakterien belastet / Die Wasserqualität schwankt stark

Welcher der mehr als 475 Seen, Teiche, Pfuhle oder ehemaligen Torf-, Kies-, Sand- und Tongruben auf Berliner Stadtgebiet ist schön, ruhig und sauber? Kanäle, Häfen und die kanalisierte Havel von der Schleuse Spandau bis zum Pichelsdörfer Gmünd kann man getrost vergessen: Badeverbot. Die Senatsverwaltung für Gesundheit warnt außerdem vor dem Griebnitzsee und der Kleinen Wannseekette (Stölpchensee, Pohlesee, Kleiner Wannsee), da das Dreckwasser des Teltowkanals von der Strömung in die Seenkette getrieben werden kann. Es bleiben die 34 amtlich ausgewiesenen Freibäder und Badestellen sowie unzählige verschmuste Geheimplätze zum Baden.

Eines haben diese Plätze sicherlich gemeinsam: die Algen. Es sind trübe Suppen, in denen die BerlinerInnen paddeln, fischen und schwimmen. Daran jedoch sind sie selbst schuld. Hauptfeind der Berliner Gewässer sind die vier Millionen Anwohner des Berliner Wasserbereichs. Mit ihren fäkalen Hinterlassenschaften und vor allem dem, was sie im Laufe eines Tages außerdem dem Abwasser beigeben, überdüngen sie das Wasser. Der zweite Feind ist die Landwirtschaft im Hinterland. Die Industrie spielt dagegen eine geringere Rolle als Gewässerverschmutzer, sagt Dietrich Jahn, Referent der Abteilung „Wasserwirtschaftliche Grundlagen“ bei der Senatsverwaltung für Umwelt.

Besonders eutrophe Gewässer sind der Große Wannsee und die untere Havel, aber auch der Plötzensee, der zur Zeit intensiv untersucht wird, sowie der Flughafen- und der Großglienicker See. Kaum ein Berliner See entspricht der EG-Richtlinie über Algenwachstum, die eine Sichtweite von einem Meter festlegt. Gerade mal 30 Zentimeter tief kann man zum Beispiel in den Wannsee blicken.

Etwas verbessert hat sich laut Jahn jedoch der Zustand des Tegeler Sees und des Schlachtensees. Aber: „Was dreißig Jahre lang zugeschissen wurde, braucht eben lange Zeit, um sauber zu werden.“ Die Langzeitwirkungen der „Notoperation“ am Tegeler See, der seit 1985 an eine Phosphateliminierungsanlage angeschlossen ist, können die Badenden daher noch nicht genießen. Wenig befriedigend ist bis jetzt auch die durch das Programm „Aufschwung Ost“ finanzierte Sanierung am Kleinen Müggelsee. Zwar wurde der See entschlammt und die Wassertiefe damit von drei auf sechs Meter vergrößert, außerdem der Seegrund in seiner Konsistenz wiederhergestellt. An der Ursache der Misere, der Überdüngung der Zuflüsse zum Großen und Kleinen Müggelsee, hat sich aber nichts geändert.

Doch die Belastung der Seen mit den anorganischen Phosphat- und Stickstoffverbindungen ist – abgesehen davon, daß die dadurch hervorgerufene starke Algenblüte allergische Hautreaktionen auslösen kann – für Schwimmer eher ein ästhetisches denn ein gesundheitliches Problem. Gesundheitlich relevant sind allein die Untersuchungen, die von der Gesundheitsverwaltung entsprechend der EG- Richtlinie alle zwei beziehungsweise vier Wochen an ausgezeichneten Badestellen vorgenommen werden. Neben der Temperatur und der Sichttiefe wird hauptsächlich ermittelt, wie hoch der Anteil der E. coli und der coliformen Bakterien ist. Diese Fäkalbakterien sind selbst zwar harmlos, gelten jedoch als Indikatoren dafür, wie es um die Wasserqualität steht. Derzeit ist sie gut – kein Wunder bei den ausgiebigen Regenfällen. Nur an einer Badestelle, dem Hirschgarten-Freibad in Köpenick, wurden die Grenzwerte (bei den E.-coli-Werten sogar erheblich) überschritten. In der Nähe des Bades fließt die durch Klärwasser belastete Erpe in die Spree. Sollte die Folgemessung ähnliche Ergebnisse bringen, wird vom Senat empfohlen, dort vorerst nicht mehr zu baden.

Wer nun vom Gesundheitsamt eine Hitliste der am wenigsten mit Fäkalbakterien belasteten Seen haben will, wird enttäuscht. Zum einen schwanken die Werte täglich – ein heute „sauberer“ See kann morgen schon wieder belastet sein. Dafür kann eine lange Hitzeperiode sorgen oder auch ein Regenguß nach längerer Trockenzeit, der Asphaltstaub und Hundekot in die Kanalisation spült, diese überschwemmt und das Wasser ungeklärt in die Seen befördert. Ein anderer Grund für bakterielle Belastung der Seen sind die Menschenmassen, die darin baden. Deshalb führt sich die Badeseen-Hitliste der Stiftung Warentest vom Juli 1993 selbst ad absurdum. Wie lange bleibt das Freibad im Tegeler See wohl das (angeblich) sauberste im Vergleich zum Halensee, Großen Wannsee und zum Müggelsee, wenn daraufhin die Massen kommen? Petra Brändle