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: Licherketten

„Kurz und Hessisch – Neues aus dem Filmhaus“, Donnerstag, 22.45 Uhr, Hessen 3

Bei Kurzfilmen aus Hessen kann es passieren, daß man Namen von Leuten im Abspann liest, mit denen man auf irgendeiner Fete mal gequatscht hat. Wilde Jungfilmer mit subjektiver Wackelkamera und einer Tonspur, die mindestens nach der „Stahlwerksinfonie“ von den Krupps klingt. Wer weiß? Oder man entdeckt Gesichter von Bekannten. Zum Beispiel Thomas Wiederspahn, den ich immer auf der Diesterwegstraße treffe.

Sein breites Grinsen, das unterhalb zweier lieber, vertrauenswürdiger Augen eine fulminante Nase halb umkreist, schmückt Birgit Lehmans filmische Ernst- Jandl-Hommage „Immer hart davor“. Auch ich bin hart davor, vor dem Schirm. Denn ihr drollig-melancholischer Standfotofilm darüber, daß sie eigentlich keinen Film machen will, weil ihr nichts einfällt, ist zweifellos der Höhepunkt der kleinen Filmauswahl. Charly Weller, selbst vertreten mit „The only forgotten take of Casablanca“, präsentierte das Hessen-Heimatzelluloid im Licher „Traumstern“- Kino.

Hessen 3 zeigte das Ganze Donnerstag als Preview des Hessentags. Da das Kino ja wesensmäßig ein Lichtspiel ist, spricht man im Herzen von „Badesalz“- Hessen auch von Licherketten (vgl. Licher Bier). Ein weiteres starkes Glied dieser Kette: „Frankfurt fühlen“ von Martin Kichberger. Ein seit 16 Jahren seinen Beruf ausübender Masseur rekonstruiert aus der Struktur der Verspannungen seiner Patienten die Urbanität Mainhättens: „Die Architektur von Frankfurt spüre ich in der Muskulatur des Patienten. Es sind die Grünanlagen ... (Er spricht angewidert und tastet hochsensibel) ... Diese Verhärtungen – Frankfurter Knoten.“

Unter dem Aspekt abgedrehte Unterhaltung schießt Dieter Reifraths und Bert Schmidts „Bücher“ den Vogel ab. Ein völlig unökonomisch zwischen doppeltmannsgroßen Büchertürmen zerstreut herumassoziierender Buchhändler, der zwar nichts verkauft, dem es aber gelingt, ganz unten in den Stapel ein Buch hineinzuschieben, ohne daß der Stapel kippt! Meditiert man eine Weile über diesen Film, so erschließt sich einem unweigerlich das Geheimnis des Buches.

„Kurz und Hessisch“, das ist eine dieser wirklich netten Abwechslungen im Fersehprogramm, von denen man sich vorher nichts erwartete und die einen hinterher um so mehr begeistern. Andere Bilder, andere Geschichten.

Ich bin stolz, ein Hesse zu sein. Manfred Riepe