Bonn trotzt dem Kugelhagel

Bundesregierung hält trotz der Schüsse auf deutsche Soldaten in Somalia am Einsatzplan fest / Panne: Die Nachricht vom Angriff in Mogadischu blieb in Koblenz hängen  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Tapfer trotzt die Bundesregierung allem Beschuß – in Somalia wie in Bonn. „In Köln wird auch jede Nacht geschossen“ – mit diesen Worten kommentierte Regierungssprecher Dieter Vogel gestern die zwei Kugeln, die am Donnerstag nachmittag erstmals auch im angeblich befriedeten Belet Huen deutschen Soldaten über die Köpfe geflogen waren. Die Bundesregierung, so Vogel, bleibe unverändert bei ihrer Planung für den Somalia-Einsatz. Am Mittwoch, so der letzte Stand, wird das Flugzeug mit den ersten 250 Soldaten des Hauptkontingents nach Afrika starten. Am Donnerstag sollen die Bundeswehr-Blauhelme im Hafen von Mogadischu das Schiff in Empfang nehmen, das mit Fahrzeugen und Gerät für den Bundeswehrverband bereits unterwegs ist.

Forderungen der Opposition und von Teilen der FDP, die zuständigen Bundestagsausschüsse einzuberufen und zunächst keine weiteren Truppenteile zu verlegen, wies Vogel zurück. Die Regierung sei zwar „selbstverständlich bereit“, vor den Ausschüssen Auskunft zu geben, wenn diese das wünschten. Im Moment bestehe „eine solche Notwendigkeit aber nicht“. Eine Änderung der Einsatzplanung werde erst notwendig, „falls sich eine völlig andere Situation ergeben sollte“.

Selbst in den Regierungsparteien meinten gestern einige, diese neue Situation sei bereits da. Die Jungen Liberalen verlangten, mit dem Beginn des Einsatzes „mindestens eine Woche zu warten“. Auch der FDP-Verteidigungsexperte Jürgen Koppelin erneuerte seine Forderung, den Abflug der Soldaten um ein bis zwei Wochen zu verschieben. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zu der Somalia-Mission ausdrücklich eine regelmäßige Information des Bundestages verlangt, sagte Koppelin der taz. Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) Rühe habe dies selbst vor der Sommerpause angeboten. „Jetzt gibt es einen Anlaß, darauf zurückzukommen.“ Er, so Koppelin, wolle über die Schüsse auf deutsche Soldaten nicht nur aus der Presse erfahren.

Am Donnerstag ging es freilich auch Rühe nicht besser. Daß auch neun deutsche Soldaten auf dem Flugplatz von Mogadischu campierten, als dort in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag von Rebellen abgeschossene Granaten einschlugen, erfuhr der Minister erst am Donnerstag nachmittag aus Agenturberichten. In den internen Kommunikationswegen der Bundeswehr, so Rühe-Sprecher Walter Reichenmiller zerknirscht, sei „eindeutig ein Fehler“ passiert.

Die Soldaten in Mogadischu hatten den Angriff zwar pflichtgemäß am Donnerstag morgen dem III. Korps in Koblenz gemeldet, von wo der Einsatz „operativ geführt“ wird. Die Meldung sei dort aber „hängengeblieben“, so Reichenmiller, weil der Verantwortliche ihre Bedeutung nicht erkannt habe. Meldungen, deutsche Soldaten seien beschossen worden, waren deshalb am Donnerstag nachmittag von Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt zunächst dementiert worden. Die Organisation des Meldewegs von Somalia nach Bonn, der stets über Koblenz läuft, werde sicherlich „nachgebessert“, kündigte der Sprecher an. In Koblenz habe man sich offenbar damit beruhigt, daß den Soldaten ja „nichts passiert“ sei. Zudem habe es sich nicht um den ersten Angriff auf deutsche Soldaten gehandelt. „Indirekt“ seien Bundeswehr-Offiziere in Mogadischu schon in der vergangenen Woche bei dem Angriff auf das UNO-Hauptquartier unter Beschuß gewesen.

Die Nachricht von der jüngsten Attacke verkündete der Minister vorsichtshalber ganz persönlich am Donnerstag abend in den „Tagesthemen“: Am Flugplatz von Belet Huen waren am Nachmittag zwei Schüsse abgefeuert worden. Die Kugeln flogen über die Köpfe von dort stationierten deutschen Soldaten. Italienische Blauhelme hätten nach den Schützen gesucht, sie aber nicht ausfindig machen können, hieß es im Verteidigungsministerium. Rühe hatte Anhänger des gegen die UNO rebellierenden Milizenführers Mohammed Farah Aidid verantwortlich gemacht. Wie die taz bereits vor drei Wochen berichtet hatte, kann Aidid in Belet Huen nach Erkenntnissen der Bundesregierung auf etwa hundert bewaffnete Männer zählen. Sie seien aber, so Regierungssprecher Vogel gestern, „noch“ keine Gefahr für das deutsche Bataillon – trotz der Eskalation in Mogadischu.