Alle suchen den „Dritten Mann“

■ V-Mann aus Bad Kleinen bestätigt und verschwunden / Szene vermutet Untertauchen, Mainzer Landesregierung gibt sich voll informiert

Berlin (taz/dpa) – Wer und wo ist der „Dritte Mann“? Ein „Offener Brief von Freunden“ des bei der Aktion in Bad Kleinen eingesetzten „Dritten Mannes“ (siehe die untenstehende Dokumentation im Wortlaut) legt nahe, daß sich Klaus S. nicht in den Händen der Sicherheitsbehörden befindet – eine ganz andere Version liefert die rheinland-pfälzische Landesregierung. Alle Spekulationen um den Aufenthaltsort des Mannes, der in Bad Kleinen bei der Festnahme von Birgit Hogefeld und der Erschießung von Wolfgang Grams dabei war und wahrscheinlich die Sicherheitsbehörden auf deren Spuren geführt hatte, wären – folgt man den „Freunden“ – falsch. Und falsch wäre dann auch, daß er, ausgestattet mit einer neuen Identität, nach Nordamerika ausgeflogen wurde. Nach dieser Version wäre Klaus S. dem Zugriff der Sicherheitsbehörden entflohen und hält sich irgendwo versteckt.

Die „Freunde“ fordern von Klaus S., daß er sofort bei einem Anwalt darlegen soll, was wirklich am 27. Juni und danach geschehen ist: „Du mußt erklären, was nach Bad Kleinen passiert ist: bist Du unter Druck gesetzt worden, wenn ja, wodurch? Hast Du Dich auf irgendwelche Deals eingelassen, von denen Du glaubst, daß sie Dir oder anderen etwas nützen könnten?“

Allerdings erwägen die Briefschreiber offenbar auch die Möglichkeit, daß sich Klaus S. weiter in Sicherheitskreisen befindet, und seine Versuche, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, nur ein Scheinmanöver darstellen. „Du hast ein Treffen, zu dem wir mit einem Anwalt gekommen sind, nicht wahrgenommen“, drücken sie ihren Zweifel aus.

Dieser Brief ging der taz einen Tag nach einem Fernsehbericht von „Panorama“ zu, wonach sich der „Dritte Mann“ im Schutz der Sicherheitsbehörden befindet. Laut Panorama war Klaus S. in Bad Kleinen aus Versehen festgenommen, gleich darauf aber wieder freigelassen worden. Als an die Öffentlichkeit drang, daß Birgit Hogefeld seine Festnahme mitbekommen hatte, soll er von den Sicherheitsbehörden wieder eingesammelt worden sein.

Sämtliche Bundesbehörden – Verfassungsschutz, Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt – sind nach wie vor nicht bereit, sich zu äußern. Auch das Justizministerium schweigt weiterhin. Angeblich weiß man dort nichts über den „Dritten Mann“ – während zur selben Zeit das rheinland-pfälzische Innenministerium Auskunft gibt: Innenminister Walter Zuber (SPD) hat gestern in Mainz den Einsatz eines V-Mannes aus seinem Bundesland bei der Aktion in Bad Kleinen bestätigt – und hinzugefügt, „einer Vernehmung durch die zuständige Staatsanwaltschaft“ stünde „nichts mehr im Wege“. Die parlamentarische Kontrollkommission des rheinland-pfälzischen Landtags sei kontinuierlich über den V-Mann informiert worden, dessen Einsatz „in Übereinstimmung mit den Aufgaben und den Befugnissen der Sicherheitsbehörden“ erfolgt sei. Die bisherige Geheimhaltung begründete Zuber mit dem notwendigen Schutz von Leib und Leben des Mannes. Alle beteiligten Stellen seien sich von Anfang an darin einig gewesen, daß dessen Schutz oberste Priorität habe. Ministerpräsident Scharping (SPD) habe erst am 4.Juli von dem Einsatz des V-Mannes erfahren. Darüber hinausgehende Erklärungen lehnte er ab.

Ebenfalls gestern wurde Birgit Hogefeld von Frankfurt/Main in die Justizvollzugsanstalt Bielefeld verlegt. Davon wurde der Verteidiger nicht unterrichtet, vielmehr wurde ihm ein Gespräch mit seiner Mandantin untersagt. „Die Verlegung erfolgte, nachdem Frau Hogefeld die ersten Briefe, die ersten Zeitungen, die erste Verteidigerpost erreichte“, schreibt ihr Anwalt. Julia Albrecht

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