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Richtig knuddelig

■ Hamburgs Liebling Placido Domingo in Flottbek: Ein kalter, teurer, aber richtig schöner Abend

Wie schon im letzten Jahr bei Pavarotti: Am Bahnhof Sternschanze stellt sich die bange Frage - Er oder das Phantom der Oper. Bahnhof Holstenstraße: Entscheidung zu seinen Gunsten - die Bahn bleibt voll. Auf dem Derbyplatz kurz darauf: Frauenüberschuß. Es scheint für viele das Größte zu sein, Ihn einmal leibhaftig zu sehen! Es ist lausig kalt, Regen dräut. Die Preise sind deftig. Ein Gläschen Schampus kostet zwölf Mark, das Programm fast die Hälfte des taz-üblichen Honorars für diesen Bericht. Es muß ohne Programm gehen.

Nach der Ouvertüre zu Mozarts „Entführung“ endlich - Er. Im weißen Smoking. Er singt sich mit Meyerbeer ein, wechselt dann immer ab mit einer rumänischen Sopranistin namens Leontina Vaduva, die sich mit irgendwas aus Rossinis „La gazza ladra“ einführt. Beeindruckend, denn sie hat alles. Ihre Koloraturen sind vielleicht ein bißchen zu flüssig.

Er bittet den lieben Gott um trocken Wetter (mit Erfolg). Es bleibt aber so kalt, daß Er sich mitunter den Atem mit zusammengelegten Händen vor der Nase anwärmen muß. Wagners Klangfarbenzauber in den „Winterstürmen“ überfordert das Orchester. Keine Spur von Wonnemond. Domingos Stimme ist herrlich für die Rolle, allein: Seine deutsche Artikulation ist eine Katastrophe.

Nach der Pause mehr Akrobatik, mehr Virtuosität und Glanz bei „Tosca“ und dem zärtlich prächtigen „Suis-je gentil“ aus Massenets „Manon“. Domingos Tenor ist immer noch fest, ohne heroisch und geschmeidig, ohne lyrisch-doof zu sein. Die Stimme hat freilich nicht mehr die alte Stärke, das Volumen und die Kraft von früher. Aber was Wunder, der Mann ist über sechzig. Für ein Open Air-Konzert dieser Größe ist die Beschallung übrigens erstaunlich authentisch.

Domingo liebt Hamburg. Vor 27 Jahren hatte er hier seinen Durchbruch. Und Hamburg liebt Domingo, verständlicherweise. Der Mann kann schließlich nicht nur singen. Er ist eigentlich richtig knuddelig.

Stefan Siegert

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