Bosnien: Lord Owen im Gegenwind

Das Ziel des EG-Vermittlers, die serbischen-kraotischen Teilungspläne für Bosnien zur Grundlage der Genfer Verhandlungen zu machen, scheint sich nicht zu erfüllen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Um ihre Position bei der nächsten Runde der Genfer Verhandlungen zu verbessern, haben Serben und Kroaten ihren Druck auf die bosnische Armee weiter verstärkt. Doch während die serbischen Truppen den Belagerungsring um Sarajevo weiter zusammenzogen, gab es auf den Appell des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović zur Rettung dieser UN-Schutzzone keine Reaktion.

Der Grund für das erneute Bemühen, durch Landgewinne Fakten zu schaffen, ist offensichtlich die Einschätzung der Serben und Kroaten, daß sich die Chancen für eine glatte Durchsetzung der Dreiteilung Bosniens am Genfer Verhandlungstisch inzwischen verringert haben. Als sie Mitte Juni ihren „Konföderationsvorschlag“ fast wie ein Ultimatum vorlegten, gingen sie davon aus, daß der bosnischen Regierung gar keine andere Wahl bliebe, als schnell zu akzeptieren. Diese Hoffnung wurde bestärkt durch das Verhalten der beiden Vermittler von UNO und EG, Thorvald Stoltenberg und David Owen.

Nachdem er den ursprünglichen Vance/Owen-Plan eigenmächtig und ohne vorherige Konsultation mit den EG-Regierungen, aufgegeben hatte, erklärte vor allem Owen den serbischen-kroatischen „Konföderationsvorschlag“ zur einzigen Grundlage der Verhandlungen und drängte die bosnische Regierung, sich darauf einzulassen. Izetbegović wurde von Owen beschuldigt, für die Verschleppung der Verhandlungen und damit für die Fortsetzung des Krieges verantwortlich zu sein. Mit der Reaktivierung des zehnköpfigen bosnischen Präsidiums, das seit Beginn des Krieges keine Rolle gespielt hatte und an dem er bisher auch kein Interesse hatte, verfolgt er nun die Strategie, Izetbegović auszumanövrieren.

Doch die Vermittler haben sich verkalkuliert. Bei allen Differenzen zwischen den Präsidiumsmitgliedern verfügt Izetbegović nach wie vor über eine Mehrheit von sieben zu drei Stimmen. Der Beschluß über den Föderationsvorschlag erfolgte am Sonntag sogar einstimmig. Mit diesem Vorschlag bringt das Präsidium die UNO und EG zumindet politisch in die Defensive. Denn er gründet – abgesehen von kleinen marginalen Änderungen – auf dem so lange von der internationalen Gemeinschaft verfolgten Vance/Owen-Plan.

Zugleich ist aber auch möglich, daß die nächste Runde der Genfer Verhandlungen wegen des eskalierenden Krieges weiter verschoben wird. Denn inzwischen hat Izetbegović das Ende der Belagerung Sarajevos sowie der kroatischen Blockade von 150 Lastwagen mit Hilfsgütern zur Vorbedingung für seine Teilnahme bei den Verhandlungen gemacht.

Bei einer Protestaktion gegen die kroatische Haltung im Bosnienkrieg sind am Mittwoch in Zagreb fünf deutsche Menschenrechtler vorübergehend festgenommen worden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker teilte mit, ihr Vorsitzender Tilman Zülch und vier seiner Mitarbeiter seien „einigermaßen fair“ behandelt und nach einer Stunde wieder freigelassen worden. Die Demonstranten hatten auf dem zentralen Jelacic- Platz ein Transparent mit der Aufschrift: „Kroatien – erst Opfer, dann Täter“ entrollt.

Erstmals wurde der kroatische Präsident Franjo Tudjman jedoch auch in der wichtigsten Zeitung seines Landes frontal angegriffen. In der am Mittwoch im „Vjesnik“ auf einer ganzen Seite abgedruckten Kritik der Gewerkschaften wird Tudjman ein undemokratischer und autokratischer Führungsstil sowie die Beherrschung der Medien vorgehalten.