Gefälschte Fuffziger

■ Der Kärntner Wörthersee, alpenländisches Idyll für fast 40 Heimatfilme, unterzieht sich einer Verjüngungskur

Also, auf Schweinebraten stehe ich nicht sonderlich. Nach acht Uhr abends genossen, überfordert er meinen Verdauungsapparat. Aber Griesknödelsuppe mit trockenem Veltliner oder Apfelstrudel und ganz besonders Germknödel, da lasse ich mich auch um neun Uhr nicht zweimal bitten. Und solche Schmankerln der Austria-Küche gibt es bei den Pressekonferenzen der „Österreich Werbung“ neben Schweinebraten ab und an. Natürlich passen Apfelstrudel und Germknödel zum piefigen Österreich-Bild. Aber mal ehrlich, die Piefkes kommen doch eigentlich aus Berlin und anderswo, und Eisbein mit Sauerkraut kann mit Rinderbraten mit Semmelknödeln nun mal nicht konkurrieren.

Berge besteigen, Beeren zupfen, allenfalls noch dynamisch Skifahren und Kühegucken haben sich als Österreich-Bild in meinem Kopf festgesetzt. Als Kind der fünfziger Jahre, das im frischen Jugendalter mit seinen Eltern im Troß Zigtausend anderer Deutscher ins Kleinwalsertal oder an den Wörthersee pilgern mußte, bin ich nachhaltig geprägt.

Apropos Wörthersee. Fast 40 Heimatfilmen diente er als schöne Kulisse. Zuletzt war er Schauplatz der 36teiligen „Schloßhotel“-Serie des Privatsenders RTL. Zuerst mit Roy Black als Anchorman; nun wurde der Evergreen Udo Jürgens, auch ein Idol noch immer schmachtender Omis, fürs Schloßhotel-Spezial aktualisiert. Die Wahl dieses „Ibizas der Alpen“ als Drehort soll ja nicht ganz zufällig gewesen sein: Zum einen gehörte für den von RTL beauftragten Münchner Filmproduzenten Carl Spiehs, erfährt man, die „Alpen- Riviera“ seit den sechziger Jahren zur bevorzugten Filmkulisse. Und dann sollen auch die Kärntner bei der Wahl des Drehortes kräftig nachgeholfen haben: Rund 17 Millionen Schilling, umgerechnet 2,4 Millionen DM, soll das österreichische Bundesland aus seinem Tourismusetat den Filmemachern spendiert haben.

Wann immer heile Welt mit Happy-End gefragt ist – der Wörthersee muß dafür herhalten. Trotzdem, oder eben darum war ich ein klein bißchen neidisch, als ein Kollege bei der letzten Rad- Rallye der Österreich Werbung durch den Berliner Grunewald eine Reise zum Wörthersee gewann. Dabei war er nicht einmal schneller am Ziel als ich, sondern hatte einfach Glück.

Auf diesen Multiplikatoren- Treffs der Österreich Werbung zwischen Grunewald und Operncafé, wo das touristische Angebot live vor Ort präsentiert wird, hat ein jung-dynamisches Team das Sagen. Und dieses hat mein Fünfziger-Jahre-Österreich-Bild, das mit Serien wie „Schloßhotel“ immer neu unterfüttert wurde, nun nachhaltig korrigiert. River-Rafting, Paragliding, „Radfrühling“ und Sommerski – die beschauliche Idylle wird durch ein aggressives, junges Sportangebot überlagert, modernisiert. Und auch der neu propagierte Dorfurlaub der Österreicher läßt mich in Kindheitserinnerungen schwelgen, ohne meine Identität als moderne aufgeschlossene Zeitgenossin anzukratzen: Idylle, ja bitte – aber im Dienste der Umwelt, als ökologische Variante des Urlaubs und freiwillige Selbstbeschränkung. So bekommt das verbrauchte Kindheitsmuster „Landurlaub“ eine avangardistische Wendung. Das Dorf mit den Geranien, der rauschende Bach und die persönliche Atmosphäre, all das natürlich gedüngt, umweltfreudlich entsorgt und sozial verantwortlich geplant. Diese Verschmelzung von alt, neu und fortschrittlich steigert das Urlaubserleben, differenziert die Zielgruppe und wuchert mit alten Pfründen in neuen Gewändern.

Also, meine Fünfziger-Jahre- Impressionen von Österreich sind ein verzeihlicher Irrtum. Ein Nierentischchen, das wunderbar zwischen moderne Accessoires paßt. Die Zukunft liegt eben auch in der Vergangenheit: nicht als Traditionspflege mit Gamsbart, dafür aber als umwelt- und sozial-verantwortliche Pflege der Tradition. Die Verjüngungskur, die Imagekorrektur des Angebots zwischen Habsburger-Kultur, Paragliding und sanfter Radtour ist geglückt.

Und es stimmt, was der Kollege einer großen Berliner Tageszeitung neulich sagte: Mit den Österreich-Werbern habe er nur Freude. Von der Pressemitteilung bis zu den Germknödeln: Alles läßt sich bestens goutieren. Wo die Werbetrommel den Rhythmus lautstark und stimmungsvoll vorgibt, tanzt selbst der Knödel danach. Auch wenn er sich lieber, wie gehabt, in der eigenen Sauce wälzen würde. Edith Kresta