Es kommen nicht viele

■ Keine „Flüchtlingswelle“ in Polen

Warschau (taz) – Als Anfang des Monats der Vertrag über die Rücknahme von Flüchtlingen zwischen Polen und Deutschland in Kraft trat, warteten Journalisten und Grenzbeamte beider Seiten an Oder und Neiße mit Spannung auf die ersten Opfer des Abkommens. Doch die Flüchtlingsscharen blieben aus. Selbst im polnischen Außenministerium war man überrascht. Monatelang hatten sich Polens Zeitungen auf den ersten Seiten über die Gefahr der „Asylantenschwemme“ ausgelassen, die nun über Polen hereinbrechen werde – und jetzt liegt die Zahl der von Deutschland an Polens Grenze abgewiesenen Flüchtlinge weit unter den Erwartungen. Sollte es dabei bleiben, schloß die Tageszeitung Zycie Warszawy, werde Polen bis Jahresende statt der vereinbarten 10.000 Flüchtlinge allenfalls 8.000 übernehmen müssen.

Grenzbeamte bestätigen, daß sich die deutschen Behörden bisher „fair verhalten“ – Polen gegenüber versteht sich, denn die Flüchtlinge als solche kommen in der polnischen Presse fast ausschließlich als Objekte grenzpolizeilicher Jagdlust oder als Spaßvögel vor, die mit den Behörden Verstecken spielen. Über die Vorgeschichte einer Flucht erfährt man in der polnischen Presse nur dann etwas, wenn sie in Deutschland selbst in die Diskussion geraten ist – etwa nach einem Hungerstreik auf dem Frankfurter Flughafen.

Polen hat auf den deutschen „Asylkompromiß“ vor allem auf zweierlei Art reagiert: Mit der Ankündigung, die Grenzen dichter zu machen und mit dem Beginn von Verhandlungen über ähnliche Verträge wie mit Deutschland: Die Nachbarn im Osten sollen Flüchtlinge von Polen zurücknehmen.

Solche Abkommen gibt es bereits mit der Ukraine, der Slowakei und Tschechien – aus diesen Ländern kommen die meisten der Flüchtlinge, die über die Oder nach Deutschland wollen. Die Slowakei und Tschechien haben ihrerseits inzwischen entsprechende Verhandlungen mit ihren Nachbarn aufgenommen, sodaß von Deutschland zurückgewiesenen Flüchtlingen inzwischen eine längere Heimreise droht. Sinti und Roma drohen eine Zwangsrückkehr nach Rumänien inzwischen also auch dann, wenn sie von Deutschland nicht aufgrund des bereits seit einem Jahr bestehenden Rücknahmeabkommen mit Bukarest auf dem Luftweg zurückgeschickt werden. Polen verhandelt darüberhinaus zur Zeit auch noch mit Rumänien, Bulgarien und Weißrußland. Nach Angaben des polnischen Außenministeriums gestalten sich nur die Gespräche mit Griechenland schwierig, denn Athen würde den Spieß gerne umkehren: Auf der Halbinsel gibt es eine größere Kolonie Polen, die sich dort – zum großen Teil illegal – zu Handel und Schwarzarbeit aufhalten. Ihnen könnte das Schicksal der dortigen Albaner drohen, was Polen gerne verhindern möchte. Klaus Bachmann