Bonner Sparpaket: Eine „blöde unpraktikable Lösung“

■ Erhoffte Opposition gegen Waigels Sparpläne bricht schon im Ansatz zusammen

Regine Hildebrandt sah mal wieder rot. „Völlig absurd“ sei es, Menschen aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen „systematisch auf Lohnersatzleistungen abzuschieben“, „wahnsinnig“ diese Leistungen dann auch noch zu kürzen, kurz und schlecht, eine „blöde unpraktikable Lösung“. Das vernichtende Urteil der brandenburgischen Arbeitsministerin galt der Maxime, nach der Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) das 21 Milliarden Mark große Loch in seinem Haushalt stopfen will. Der geht davon aus, daß „das Gros der Ausgabenkürzungen dort realisiert werden (muß), wo die Ausgabendynamik nach geltendem Recht am größten ist, bei den Sozialausgaben“, und präsentierte vor drei Wochen ein Sparpaket, das zu 78,5 Prozent zu Lasten des sozialen Bereichs geht. Von diesen 16,5 Milliarden Mark entfallen allein 9,35 Milliarden Mark auf die Bundesanstalt für Arbeit. Deshalb haben sich nun die beiden zuständigen Landesministerinnen von Berlin und Brandenburg, Christine Bergmann und Regine Hildebrandt (SPD), in einem Protestbrief an Waigel gewandt, um von ihm zu erfahren, ob „eine Kürzung der Sozialleistungen die Arbeitslosigkeit, die Ursache für den Umfang der Sozialleistungen, bekämpft“?

Die Ministerinnen warteten die die Antwort des Ministers nicht ab, sie gaben ihre Einschätzung bereits gestern auf einer Pressekonferenz preis. Bergmann rechnete vor, daß von den 104 Milliarden Mark, über die die Bundesanstalt für Arbeit 1993 verfügt, lediglich 44 Milliarden Mark in die aktive Arbeitsmarktpolitik fließen. Vor zwei Jahren habe der Anteil für Fördermaßnahmen noch bei 60 Prozent gelegen, und unter 50 Prozent dürfe er nach Bergmanns Ansicht keinesfalls fallen. Auch um die Antwort auf eine zweite Frage, die sie an Waigel richteten, waren Hildebrandt und Bergmann nicht verlegen. „Daß die Armut in Deutschland um sich greifen wird“, war für die beiden bereits ausgemachte Sache, denn die Arbeitslosenhilfe in den fünf neuen Bundesländern betrage schon jetzt 666 Mark monatlich, bei einer Preissteigerungsrate von 9,3 Prozent. Die von Waigel vorgeschlagenen Kürzungen „führen jetzt zu einem realen Einkommensverlust“.

Schon jetzt stellten die Arbeitslosen über die Hälfte der Sozialhilfeempfänger. Deshalb wollen Bergmann und Hildebrandt von Waigel erfahren, ob „der von Ihnen eingeschlagene Weg einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht auch deswegen fehlschlagen (wird), weil er mit erheblichen Mehrbelastungen der örtlichen Träger der Sozialhilfe, der Kommunen, verbunden sein wird?“ Immerhin würden diese Mehrbelastungen 8,5 Milliarden Mark betragen.

Bevor jedoch der von den beiden Ministerinnen prognostizierte Fehlschlag Wirklichkeit wird, droht ihrer eigenen Opposition gegen die Waigelschen Sparpläne das vorzeitige Ende. Denn die CDU- regierten neuen Bundesländer haben ihnen bereits signalisiert, daß sie sich ihrem Protest nicht anschließen werden. Die CDU-Stimmen sind jedoch erforderlich, sollen die Änderungen der Lohnersatzleistungen im Bundesrat zu Fall gebracht werden. Dieter Rulff