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Biwak, Bier und deutsche Helden Von Mathias Bröckers

„Liebe Mutti, bin in Mogadischu gelandet, bei einer Streicheleinheit.“ Seit in Deutschland wieder Feldpostbriefe geschrieben werden, gibt es auch wieder sagenhafte Überschriften: „Deutsche Soldaten bewältigten gefährlichste Weststrecke“, betitelt die Welt am Sonntag den „Marsch nach Belet Huen“. Keine 50 Jahre hat es gedauert, daß deutsche Helden wieder im Ausland marschieren und die Presse an der Heimatfront ihre Großtaten würdigt: „Geschützt wird der Konvoi von UN- Kampfverbänden aus Nigeria, den USA und Italien sowie durch die integrierte Selbstschutzkomponente des Fallschirmjägerbataillons 261 aus Lebach. Die Lebacher Fallschirmjäger haben sich für den langen Überlandweg für das Kettenfahrzeug ,Wiesel‘ etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Bei Bedarf kann der ,Wiesel‘ über zwei Ladebohlen auf die Pritsche eines Zehn-Tonnen-LKW auffahren. Die Erhöhung ermöglicht gleichzeitig eine bessere Sicht für die Besatzung des mit Nachtsichtgerät und 20-mm-Maschinenkanone oder Panzerabwehrrakete ausgestatteten Kampffahrzeugs.“

Sind sie nicht genial, die deutschen Wüstenkrieger? Durch Erhöhung bessere Sicht gewinnen — da hätte selbst Feldmarschall Rommel gestaunt. „Eine Aufklärungskomponente mit kampfstarken Fahrzeugen fährt voraus, um mögliche Hinterhalte und Minensperren zu erkennen.“ Auch diese raffinierte Strategie zeugt vom Einfallsreichtum der deutschen Soldaten. „Je nach Geländesituation fahren einige gepanzerte Fahrzeuge Flankenschutz.“ Da kann ja eigentlich gar nichts mehr schiefgehen, zumal „der Schluß der Kolonne von einer kampfstarken Nachhut“ gebildet wird. Einfach perfekt. Zur Belohnung reist zwecks Truppenbetreuung der Verteidigungsminister persönlich an: „Für die insgesamt 600 Soldaten hat Rühe Bier mitgebracht. Ohne Presse will er einen Biwakabend mit den Soldaten verbringen.“ Off-road-Biwak mit Freibier und Minister – da kommt kein Club-Urlaub und auch kein „Camel Adventure“ gegen an. Kein Wunder also, daß die jungen Fallschirmjäger es ganz toll finden, hier etwas „für die Menschen zu tun“.

Ein Sekundaner, sechzehn Jahr / steht im Bezirks-Gedräng. / Der Stabsarzt sagt ihm klipp und klar:/ „Die Brust ist viel zu eng!“ / „Für eine Kugel breit genug“, sagt keck der junge Schneuz, / „und wenn es Gott im Himmel will, / auch für ein Eisern Kreuz.“ Von derart lyrischer Kriegsbegeisterung mögen wir noch entfernt sein, mit Schlagzeilen wie „Deutsche Soldaten bewältigen gefährlichste Wegstrecke“ geht es sturheil zurück in diese Richtung. Bevor er an den Wolfgangsee entschwebte, hat Kanzler Kohl – vor den Angehörigen des Schwimmbrücken-Bataillons 803 in Potsdam – noch eine entsprechende Standortbestimmung der Bundeswehr vom Stapel gelassen: Der Dienst in der „Armee unserer Söhne ist gelebter Patriotismus und Ausdruck eines neuen Bürgersinns“, bei dem „wir uns auf Tugenden besinnen wie Mut und Verläßlichkeit, Fleiß und Eigenverantwortung, Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft“. Hier spricht weder der Enkel Adenauers noch der von Heinrich Lübke, auf seine alten Tage macht unser Prachtkanzler jetzt auf Kaiser Wilhelm. Der Mann ist tatsächlich reif für St. Gilgen. Und zwar nicht als Urlaub, sondern als Exil.

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