Izetbegović beugt sich dem Druck

■ Der bosnische Präsident reist zu Verhandlungen nach Genf / UN-Truppen in Sarajevo wollen jetzt „zurückschießen“

Bosniens Präsident Alija Izetbegović hat sich den militärischen Realitäten und dem unablässigen Druck der beiden Vermittler von EG und UNO gebeugt. An der Spitze einer sechsköpfigen Delegation, der auch Mitglieder der Parlamentsopposition angehören, nimmt er heute an einer neuen Runde der Genfer Verhandlungen teil, obwohl seine beiden Vorbedingungen nicht erfüllt wurden: die Angriffe serbischer Truppen auf Sarajevo und andere Orte gingen auch gestern mit unverminderter Härte weiter; die für Muslime bestimmten UNO-Hilfskonvois wurden nach wie vor von Serben und Kroaten blockiert. Nach dem serbischen Artillerieangriff auf einen Stützpunkt der UNPROFOR am Sonntag in Sarajevo erklärte der belgische Oberkommandierende der UNPROFOR in Bosnien, General Francis Briquemont, die Zurückhaltung bei der Selbstverteidigung für beendet.

Seit der ultimativen Vorlage des serbisch-kroatischen Dreiteilungsplans vor vier Wochen hatten die Vermittler von UNO und EG, Thorvald Stoltenberg und David Owen, Izetbegović immer wieder als das Haupthindernis für ein Bosnien-Abkommen bezeichnet und sich damit faktisch die serbische Sprachregelung zu eigen gemacht. Der Gegenvorschlag des bosnischen Präsidiums, der bereits am Dienstag letzter Woche im Genfer Büro von Owen und Stoltenberg eintraf, wird von diesen weiterhin totgeschwiegen. Ein solcher Vorschlag sei „bisher offiziell bei uns nicht eingegangen“ behauptete der Sprecher der beiden Vermittler, John Mills, auch gestern noch auf Anfrage. Konferenzdiplomaten bestätigen inzwischen gegenüber der taz, es sei die Strategie der beiden Vermittler, auch in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als sei der Dreiteilungsplan einzige Verhandlungsgrundlage, um so den Druck auf Izetbegović zu verstärken.

Der von den vier muslimischen sowie je drei serbischen und kroatischen Mitgliedern des bosnischen Staatspräsidiums am 18. Juli einstimmig verabschiedete Gegenvorschlag sieht die Erhaltung Bosnien-Herzegowinas im Rahmen einer Föderation vor, entsprechend den Prinzipien des einst von UNO und EG verfochtenen Vance/ Owen-Plan. Daß derartige Vorstellungen wegen mangelnder Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft wohl keine Chance mehr hat, weiß auch Izetbegović. Da er ihm Verlaufe der heute beginnenden Verhandlungsrunde möglicherweise endgültig zu Kreuze kriechen und seine Unterschrift unter das inzwischen von UNO und EG unterstützte Dreiteilungsdiktat setzen muß, versucht sich der Präsident, innenpolitisch abzusichern. In seiner Delegation befinden sich neben Außenminister Haris Silajdzić sowie je einem kroatischen und einem serbischen Präsidiumsmitglied auch der Führer des größten Oppositionsbündnisses im Parlament, der Muslim Muhamed Filipović, sowie der Chef der ebenfalls oppositionellen bosnisch-kroatischen Bauernpartei, Ivo Komsić.

UNPROFOR-General Briquemont bekräftigte am Montag die Darstellung von UNO-Beobachtern, wonach der Beschuß eines UNPROFOR-Stützpunktes mit 68 Granaten am Sonntag durch serbiche Verbände erfolgt sei. Die auch in einem Brief von Serbenführer Karadžić an UNO-Generalsekretär Butros Ghali enthaltene Behauptung, die überwiegend muslimischen Regierungstruppen seien für den Beschuß verantwortlich, wies der General zurück. Der UNO-Stützpunkt liege für die Regierungstruppen außerhalb der Reichweite ihrer Waffen. Zur zurückhaltenden Reaktion der UNPROFOR-Soldaten auf den Beschuß erklärte Briquemont: „Das war das letzte Mal, daß wir uns zurückgehalten haben, unser Recht auf Selbstverteidiung auszuüben.“

In der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz Kosovo soll am Montag ein serbischer Polizist durch Maschinengewehrfeuer schwer verletzt worden. Nach einer Meldung der Belgrader Agentur Tanjug ereignete sich der Zwischenfall an der Einfahrt zur Ortschaft Podujevo, 28 Kilometer nördlich von Pristina, der Hauptstadt der südserbischen Provinz.

Erst am Freitag vergangener Woche waren bei einem Angriff auf die Polizeistation in der Stadt Prizren drei Polizisten schwer verletzt worden. Andreas Zumach