: Die Stradivari unter den Klavieren ist verstimmt
■ Die traditionsreiche Pianofabrik C. Bechstein mußte Konkurs anmelden, aber an ein Ende will niemand glauben / Liquiditätsschwierigkeiten – Senat will helfen
Nicht nur für die in den Betriebsferien weilenden 68 Beschäftigten kam die Nachricht aus Berlin am Wochenende wie eine kalte Dusche. Auch der Senat und die gesamte Branche wollten es nicht glauben: Der renommierte Klavierhersteller C. Bechstein Pianofortefabrik GmbH (Berlin) hatte Konkurs angemeldet. Wegen mangelnder Liquidität und weltweit sinkender Verkaufszahlen müssen in der 1853 gegründeten Traditionsfirma nun andere Töne angeschlagen werden. Zwischen Senat und dem geschäftsführenden Gesellschafter Karl Schulze haben inzwischen Gespräche begonnen, um ein Aus für die „Stradivari unter den Klavieren“ abzuwenden.
Berühmte Pianisten sagen Bechstein-Klavieren einen besonderen Klang nach. Legenden wie Franz Liszt oder Arthur Rubinstein füllten mit den Nobel-Instrumenten die Konzertsäle. Operetten-König Richard Strauss soll gesagt haben: „Ich halte die Bechstein-Instrumente für die schönsten und feinfühligsten der Welt.“ Die ersten Pianos und Konzert- Flügel mit der goldenen Krone als Firmenlogo wurden vor 140 Jahren in einer kleinen Berliner Fabrik von Firmengründer Carl Bechstein gefertigt. In kurzer Zeit avancierten die geschätzten Instrumente zum „Hof-Lieferanten Sr. Majestät, des Kaisers und Königs“ und waren bald auch an anderen Höfen begehrt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das erfolgsverwöhnte Unternehmen von der amerikanischen Baldwin Piano and Organ Company erworben. Dem gelernten Klavierbauer Karl Schulze gelang es vor sieben Jahren, die Firma zurückzukaufen. Vor zwei Jahren übernahm Bechstein den bayerischen Piano-Hersteller Feurich in Pfofeld und wenig später das ostdeutsche Traditionsunternehmen Zimmermannn im sächsischen Seifhennersdorf. Mit einer auf alle Preisklassen erweiterten Produktpalette wollte der 45jährige Schulze gegen die Konkurrenz vor allem aus Übersee und sinkende Verkaufszahlen ankämpfen. Mitten in der „kräftigen“ Expansionsphase sei Bechstein 1992 vom weltweiten Absatzeinbruch überrascht worden, so Schulze. Der Umsatz sank um drei Millionen auf 20,8 Millionen DM. Die Banken waren nicht mehr bereit, die Kreditlinie aufzustocken – trotz genügender Absicherung durch Immobilien. Dabei zeichneten sich im Rahmen der Umstrukturierung deutliche Kostenentlastungen schon für das zweite Halbjahr 1993 ab, sagt Schulze. Bereits 1994 sollte die Gewinnzone erreicht werden. Wegen fehlender Liquidität sei diese Hoffnung und Perspektive aber zerstört worden. Die kommenden Wochen würden „die Chancen für eine Fortführung in veränderter Form aufzeigen“. Die Senatswirtschaftsverwaltung hält einen Grundstückskauf durch das Land Berlin für möglich. Denkbar seien auch stille Beteiligungen und Darlehen aus dem Sonderfonds für kleinere und mittlere Betriebe. Geprüft wird ferner, ob Kredite durch Landesbürgschaften abgesichert werden könnten. An ein wirkliches Aus glaubt niemand. Für den Bund Deutscher Klavierbauer handelt es sich nur um einen „augenblicklichen Liquiditätsengpaß“. Optimistisch geben sich auch die Mitarbeiter aus der Verkaufsabteilung. Die Aufträge seien jedenfalls noch nicht zurückgegangen, und ständig würden „aufmunternde Anrufe“ eingehen. Fest steht allemal, so Schulze, daß nach den Ferien vom 2. August an wie bisher produziert wird. Andre Stahl (dpa)
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