Nun auch noch Südmilch ...

Milchkrimi, zweiter Teil: Nach dem Konkurs ihrer sächsischen Tochter hat die Stuttgarter Südmilch AG den Vergleich beantragt / Schwere Vorwürfe gegen den alten Vorstand  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Noch mehr Milch geht den Bach hinunter. Vier Tage nach der Konkurs-Erklärung ihres Dresdner Ablegers Sachsenmilch AG hat gestern auch die Stuttgarter Südmilch AG den Antrag auf Vergleich gestellt. Das Unternehmen begründet diesen Schritt mit den Auswirkungen des Konkurses der Dresdner Tochter. In der Mitteilung heißt es weiter, die Milcherfassung der rund 5.000 Erzeuger erfolge „störungsfrei“. Ein neubestellter Vorstand sei bemüht, den Schaden „so gering wie möglich zu halten“. Produktion und Lieferfähigkeit seien „in vollem Umfang gewährleistet“.

Die Südmilch AG ist eine der wichtigsten Arbeitgeberinnen für die Landwirtschaft im Stuttgarter Raum. Mehr als 1.200 Beschäftigte in drei Betriebsteilen sind unmittelbar betroffen. Ein Kommentar des Betriebsrates war nicht zu bekommen: Er befindet sich im Urlaub.

Überraschend kommt die Notlage des Stuttgarter Großunternehmens nicht. Seit Jahresbeginn mußte sich ein neuer Vorstand mit dem schier undurchschaubaren Erbe seines Vorgängers befassen. Der zur Zeit in Paraguay untergetauchte Ex-Chefmanager Wolfgang Weber habe „in jahrelanger Arbeit“ die Firma „an den Rand des Ruins gebracht“, wie der Spiegel zusammenfaßt. Dazu gehörten auch dubiose Praktiken um die Dresdner Tochterfirma Sachsenmilch AG. Seit dem Wochenende ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft in dieser Sache.

Nachdem am Freitag die Sachsenmilch Gesamtvollstreckung beantragt hatte, war laut Handelsblatt der Kurs der Südmilch-Aktie an der Stuttgarter Börse ausgesetzt worden. Der Bilanzverlust der Firma habe sich 1992 gegenüber dem Vorjahr auf 29,9 Millionen DM verzehnfacht, bei einem Umsatz von 1,35 Milliarden DM und gezeichnetem Kapital von 85,1 Millionen Mark. Die Deutsche Bank wollte sich noch um Rettung bemühen und die Interessen der schätzungsweise 5.500 Aktionäre schützen.

In Dresden dürfte sich nun vor allem der politsche Druck auf Landwirtschaftsminister Rolf Jähnichen (CDU) verstärken. Bereits 1991, als der einstige LPG- Vorsitzende in Leppersdorf bei Dresden zum ersten Spatenstich für die Großmolkerei der Sachsenmilch AG ausholte, war die Stuttgarter Mutterfirma bundesweit wegen Webers Steuerbetrügereien ins Gerede gekommen. Gegen den Widerspruch der Opposition waren Fördermittel des Landes massiv in das Projekt der Südmilch AG geflossen. Die Prestige-Baustelle steht still, seitdem Zahlungsschwierigkeiten der Sachsenmilch ruchbar geworden sind. In Dresden sind für die halbfertige Großmolkerei schon Kaufanfragen aus Japan, den USA, Schweden und den Niederlanden eingegangen. Der bayerische Milch-Mogul Müller hat gegenüber der Sächsischen Zeitung Meldungen dementiert, wonach er ebenfalls Interesse hege. Müllers Kaufabsichten waren allerdings auch vom Unternehmensauflöser, dem Ulmer Rechtsanwalt Hans-Jörg Derra, angekündigt worden.

Würde Müller-Milch die Großmolkerei aus der Konkursmasse übernehmen, hätte er das Milch- Monopol in Sachsen.