Aufruf zur Gegenwehr

■ Ralph Giordano verteidigt seine Forderung nach Selbstschutz

Hamburg/Köln (dpa) – Mögliche Opfer rechtsradikaler Gewalttäter in Deutschland sollten sich nach Ansicht des Schriftstellers Ralph Giordano „nach wie vor“ notfalls auch bewaffnet selbst schützen. Nach den Morden von Solingen gelte das „mehr denn je“, sagte der 70jährige jüdische Autor gestern. Nach den Morden von Mölln hatte Giordano in einem Offenen Brief an Helmut Kohl geschrieben, „nie wieder werden wir Überlebende des Holocaust unseren Todfeinden wehrlos gegenüberstehen – niemals“. Angesichts der Untätigkeit der Regierung wollten die Bedrohten „bis in den bewaffneten Selbstschutz hinein“ selbst tätig werden.

Giordano, der eine Buchdokumentation („Wird Deutschland wieder gefährlich?“) zu seinem Schreiben vorlegte, sagte dazu, als Reaktion sei eine „förmliche Lawine“ aus bisher etwa 1.600 Briefen und ungezählten Telefonaten bei ihm eingegangen. Von Solidaritätsbekundungen bis zu offenen Morddrohungen reiche das Spektrum. Er sei zu der „schrecklichen Erkenntnis“ gekommen, daß Deutschland eine „tiefgespaltene Nation in Fragen der Ethik und Humanität“ sei. Juden- und Ausländerhaß reiche quer durch die Bevölkerung „von der primitiven Bedrohung bis zur artikulierten Beschreibung“.

Scharf kritisierte Giordano die „Stimmen, die beunruhigter sind durch den Aufruf zur Gegenwehr als durch die Gewalt selbst“. So habe auch Kanzler Kohl im Zusammenhang mit dem Brief vor dem Bundestag auf das Gewaltmonopol des Staates verwiesen. Wer das antaste, bekäme die „ganze Härte des Staates zu spüren“. Giordano dazu: „Also genau die Härte, die die rechtsextremistischen Gewalttäter und ihre politischen Hintermänner bisher nicht zu spüren bekommen haben.“