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Käse in Tracht verkaufen

■ Flaute bei Ferienjobs / Besonders unbeliebt: Lagerjobs für 12 Mark die Stunde

Käse in Tracht verkaufen

Flaute bei Ferienjobs / Besonders unbeliebt: Lagerjobs für 12 Mark die Stunde

„Für zwölf Mark in der Stunde hätte ich mit französischem Akzent und in holländischer Tracht bei Karstadt Käse verkaufen können — dann doch lieber gar kein Ferienjob“, stöhnt Romanistik-Studentin Mieke Hartmann. Trotz ihrer guten Fremdsprachenkenntnisse und einer abgeschlossenen Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin gab es bei der Jobvermittlung des Arbeitsamtes Hannover für sie kein einziges reizvolleres Arbeitsangebot.

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung macht sich jetzt auch auf den Jobmarkt für SchülerInnen und StudentInnen bemerkbar. Laut Statistik der vergangenen sechs Monate ging die Zahl der Stellenangebote von rund 890 im Vorjahr auf jetzt 790 Angebote zurück.

„Die Zeiten sind vorbei, in denen Großbetriebe wie VW oder die Bundespost lang-und mittelfristig ein großes Kontingent von Aushilfsarbeitern einstellten“, weiß der Sprecher des Arbeitsamtes, Rainer Keßler. Die Jobvergabe laufe inzwischen fast nur noch als ad-hoc-Vermittlung über die Bewerberkartei oder an diejenigen StudentInnendie direkt im Arbeitsamt auf neu eintreffende Angebote warten. Viele Großanbieter verfügen zudem mittlerweile über einen festen Stamm von StudentInnen, die je nach Bedarf zur Verfügung stehen.

Für SchülerInnen sind die Perspektiven noch trostloser. Werden sie nicht über Beziehungen ihrer Eltern eingestellt, ist die Suche nach dem Ferienzubrot oft schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt. Viele Arbeitgeber scheuen das Arbeitsverhältnis, weil die Ferienzeiten der SchülerInnen begrenzt sind und zudem Arbeitszeitverordnungen und Schutzvorschriften für Minderjährige ihre Verfügbarkeit einschränken.

Die größten Chancen sehen die MitarbeiterInnen der Jobvermittlung in Hannover für StudentInnen mit speziellen Qualifikationen oder Berufserfahrungen, etwa im kaufmännischen oder EDV-Sektor. Bei ihnen kann der Wunsch nach Bürotätigkeiten oft erfüllt werden, und auch die Bezahlung liegt über den durchschnittlichen 14 bis 16 Mark. Andere müssen sich glücklich schätzen, wenn sie einen der wenig begehrten Lager- oder Fahrer-Jobs bekommen.

Die Arbeit in Landwirtschafts- und Gärtnereibetrieben ist nach Aussage des Sprechers durch die geringen Löhne ausländischer ArbeiterInnen für StudentInnen nicht mehr lukrativ. Stellen in der Gastronomie sind ebenfalls mit einer Bezahlung von zehn bis zwölf Mark höchstens für SchülerInnen attraktiv.

Zu den wenigen außergewöhnlichen Offerten des Arbeitsamtes zählt das Stellenangebot einer behinderten Frau. Sie sucht eine Reisebegleitung für ihren Türkeiurlaub. Eher eine Ausnahme. dpa

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