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Japans Oppositionspolitiker verkündeten am Ende ihrer Koalitionsberatungen stolz, die Bedingungen für die Ablösung der Regierungspartei und für den Neuanfang nach 40 Jahren Alleinherrrschaft der LDP seien erfüllt. Aus Tokio Georg Blume

Die glorreichen Sieben werden regieren

„Zu guten Emeuten gehört wirklich gutes Wetter“, schrieb Heinrich Heine über die französischen Revolutionen. Der deutsche Schriftsteller liebte nicht nur sein Gastland Frankreich, er verehrte auch Japan in hohem Maße. Aus der Ferne betrachtet, gefielen Heine die andere Ordnung der Dinge unter der aufgehenden Sonne und der zivilisierte Charakter des japanischen Volkes. Wohl hätte der Revolutionär Heine am Mittwoch seine Freude an den japanischen Zuständen gehabt.

Mit dem Wetter spielten die Götter dabei auf ihre Art: Während sich Tokio gestern bei 35 Grad im Schatten in der Hitze aufzulösen schien, wütete über Westjapan der Taifunregen. Alles aber paßte zusammen: Die klimatische Härte des Insellebens und die Gegensätzlichkeit der Jahreszeiten haben den Japanern rasch die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Konsenses gelehrt. Der wurde am Mittwoch mit dem Regierungsbündnis der Oppositionsparteien neu formuliert. Sonne und Taifun aber waren für japanische Verhältnisse das „wirklich gute Wetter“, um Politik und Nation nach vier Jahrzehnten Einparteienherrschaft wieder zu versöhnen.

Wer sich da alles zusammenfand: ein junger Sozialdemokrat, Parteisekretär Hirotaka Akamatsu, sieht aus wie Japans erster linker Yuppie. Er redete die alte Linkspartei aus ihren alten Prinzipien heraus und rein in die neue Regierungskoalition. Neben ihm strahlte gestern Ichiro Ozawa, der große Taktiker und Erfinder der neuen Regierung, wie ein glücklicher Schulknabe. Ozawa, dem Generalsekretär der neugegründeten „Erneuerungspartei“ (JRP), gelang das Meisterstück, nach seinem Austritt aus der Regierungspartei LDP Mitte Juni alle sieben Oppositionsparteien (Sozialdemokraten, JRP, Komei-Partei, Neue Partei Japans, Demokratische Sozialisten, Neue Partei Pionier und Volkssozialisten) für ein Koalitionsbündnis zusammenzuschweißen. Ihm wird nach dem Regierungswechsel der Ruf des neuen Paten der japanischen Politik nachhängen. Um so spannender liest sich sein vor wenigen Tagen erschienenes Buch.

Dort führt Ozawa die Japaner an den Rand des Grand Canyon im US-Bundesstaat Arizona und fragt vor dem Abgrund völlig verwundert: Warum stehen hier keine Verbotsschilder? Absturzgefahr! Betreten verboten! In Japan würde man an vergleichbarer Stelle mit jedem Schritt auf Gefahren über Schilder und Lautsprecher hingewiesen werden, meint Ozawa und tritt nun an, die Verbotsschilder abzureißen. Sein Motto: „Im Zeitalter der Internationalisierung müssen die Japaner beginnen, Verantwortung zu tragen und dürfen sich nicht mehr hinter ihren tausend japanischen Sonderregelungen verstecken.“

Also: Steuersenkungen für den Endverbraucher will die künftige Regierungskoalition. Weniger Auflagen für die Neugründung von Supermärkten, die ihre Ware, auch Auslandsware, billiger für den Konsumenten verkaufen. Und nie mehr das Importverbot für Rindfleisch mit den besonderen Mageneigenschaften des japanischen Volkes begründen, wie es die alte Regierung noch 1987 tat. Japan will sich bessern. „Nicht nur die anderen Länder denken, daß der japanische Markt verschlossen ist“, sagt Ichiro Ozawa.

Doch bevor sie die langfristigen Ziele angibt, muß die neue Regierung die Hausaufgaben der alten erledigen. Die wichtigsten Reformvorhaben zielen dementsprechend auf die Bekämpfung der Korruption und auf Rückbesinnung auf die Demokratie. Eine neue Regierung wird Großkonzernen und Unternehmen, die in den vergangenen vier Jahrzehnten alle Aktivitäten der Regierungspartei finanzierten, grundsätzlich jegliche Spenden an politische Parteien verbieten. Statt dessen sollen die Parteien zukünftig vom Staat Ersatzgelder erhalten.

Ebenso weitreichende Veränderungen verspricht die Einigung der Koalition auf ein neues Wahlgesetz. In den bisherigen Wahlkreisen mit bis zu fünf Mandaten treten mehrere Kandidaten nebeneinander an. Das gilt als Ursache für unnötige Schachereien. Das neue Wahlgesetz sieht samt der Einführung des Verhältniswahlrechts für die Hälfte der Parlamentssitze nur noch Wahlkreise mit einem Sitz für die restlichen Mandate vor. Sinn und Zweck des geplanten Reformwerks: Japans politische Landschaft würde durch Neuwahlen noch einmal aufgepflügt und die Dominanz der Liberaldemokraten, die bei der letzten Wahl immerhin noch 45 Prozent der Parlamentssitze gewannen, endgültig gebrochen. „Die Bedingungen für den Neuanfang sind erfüllt“, verkündeten die Parteisekretäre der Opposition am Ende ihrer Beratungen voller Stolz.

Die politische Spannung überträgt sich indes nicht aufs Volk. Kein Feuerwerk, keine Demonstration, vergebens schnupperte man gestern nach einem Sturm auf die japanische Bastille. Gerade hatte die Staatsanwaltschaft den Gouverneur der Präfektur Ibaraki im Norden Tokios wegen Bestechlickeit verhaftet. Das empört die Stammgäste an den Sushi-Bars. Die Sieben-Parteien-Regierung aber ist beschlossen und bleibt doch unvorstellbar.

Auch an den Tokioter Cocktailbars der studentischen Schickeria scheitert die politische Verführung. „Die Politik verändert mein Leben nicht“, lächelt eine Studentin in Schwarz und zeigt ihre schneeweißen Zähne. Sie hat recht: Schwarz-weiß, gut und böse hat es in der japanischen Politik nie gegeben. Immer behielten die Taktierer die Oberhand. Nun endlich hat auch die Opposition das Taktieren gelernt.

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