Stromversorger lockt mit spektakulärer Offerte

■ 100 Millionen für Göttinger Stadtwerke geboten / Kommune will Stromnetz

Göttingen (taz) – Die Energie- Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM) will die Göttinger Stadtwerke für rund 100 Millionen Mark kaufen. Dieses Angebot unterbreitete der EAM-Vorstandsvorsitzende Udo Cahn von Seelen in einem gestern bekanntgewordenen Brief an die Stadtverwaltung und die Vorsitzenden der Göttinger Ratsfraktionen.

Hintergrund der spektakulären Offerte ist die Absicht des Stadtrates, den Ende 1994 auslaufenden Konzessionsvertrag mit der EAM zu kündigen und das Stromleitungsnetz für die Landkreise Göttingen und Northeim von dem in Kassel ansässigen Unternehmen zurückzukaufen. Die rot-grüne Ratsmehrheit will mit diesem Schritt die kommunale Stromversorgung unter ihre Kontrolle bringen und langfristig die Nutzung von Atomenergie vermeiden. Die EAM, die ein unprofitables Loch in ihrem von Einbeck bis Hanau reichenden Versorgungsnetz fürchtet, hatte in den vergangenen Wochen astronomisch hohe Summen für ihr zum Teil technisch veraltetes Netz ins Spiel gebracht. Rechtlich hat das Unternehmen indes keine Möglichkeit, den seit 1930 gültigen „Strom-Wirtschaftsvertrag“ zu verlängern, wenn die Kommune nicht zustimmt.

Das fette Angebot, das den gebeutelten Göttinger Stadtfinanzen gut zupaß käme, hat die Kommunalpolitiker aus ihrem Sommerschlaf geschreckt. Oberstadtdirektor Hermann Schierwater (SPD) ließ erklären, man wolle den Vorschlag „vorurteilsfrei prüfen“. Ein Sprecher der Grün-Alternativen Liste sagte, wenn die EAM die Stadtwerke kaufe, habe die Kommune keinen Einfluß auf die Energiepolitik; das Unternehmen wolle das Netz nur nicht abgeben, weil der Stromverkauf in der Region mit 10 bis 20 Millionen Mark im Jahr „riesige Gewinne abwirft“. CDU- und FDP-Vertreter äußerten sich hingegen positiv über das EAM-Angebot. Reimar Paul