Vier Thyssen-Manager als Müllschieber in U-Haft

■ Richter sieht Flucht- und Verdunklungsgefahr / Firma fühlt sich unschuldig

Berlin (taz) – Die Thyssen Sonnenberg GmbH, der größte Schrotthändler Europas, bleibt kopflos. Der zuständige Haftrichter des Amtgerichts Frankfurt hat am Donnerstag abend die Vollstreckung von vier Haftbefehlen gegen Spitzenmanager der Firma angeordnet. Die Herren seien „dringend verdächtig“, Giftmüll illegal in Frankreich deponiert zu haben. Haftrichter Clemens Becker bestätigte eine Flucht- und Verdunklungsgefahr und weigerte sich deshalb, den Düsseldorfer Geschäftsführer von Thyssen Sonnenberg, Günther Giffels, den Leiter des Bereichs Entsorgung, Andreas Schmidt, und zwei Frankfurter Mitarbeiter gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Bislang hätten die Anwälte der Thyssen-Manager dagegen keine Rechtsmittel eingelegt, so Becker gestern.

Vorgeworfen wird dem Quartett, von Januar 1991 bis Juni 1992 31.000 Tonnen Giftmüll nach Lothringen exportiert zu haben. Statt wie bei den Behörden angegeben, Schredderabfälle zu recyceln, sei der giftige Schrott nur auf einer Deponie gelandet. „In Lothringen haben Thyssen Sonnenberg und die Frankfurter Firma Eumet ein gemeinsames Werk errichtet, in der der exportierte Abfall angeblich recycelt werden sollte. Aber dafür war die Anlage gar nicht gebaut. Die Stoffe wurden einfach deponiert“, begründete der zuständige Oberstaatsanwalt Hubert Harth in der Rheinischen Post das Vorgehen gegen die Firma. Die illegale Beseitigung des Abfalls habe der 100prozentigen „Enkelin“ des Thyssen-Konzerns (Umsatz 1,5 Milliarden Mark) rund 14 Millionen Kosten gespart. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt seit zwei Jahren gegen Müllschieber im Frankfurter Osthafen. Schon im März hatten 50 Durchsuchungen auch bei Thyssen Sonnenberg stattgefunden.

Und das Ende der Fahnenstange scheint im größten Müllskandal der vergangenen Jahre noch nicht erreicht. Thyssen-Sprecher Wolfgang Krüger beteuert zwar noch: „Wir gehen davon aus, daß alles nach Vorschrift vor sich gegangen ist.“ Erst kürzlich hätten die französischen Behörden die Genehmigung für die Einfuhr der Schredderrückstände bis Mai 1994 verlängert.

Er konnte die sachliche Darstellung der Frankfurter Staatsanwaltschaft im Gespräch mit der taz aber gestern nicht dementieren. Krüger sagte lediglich: „Jeder Vorwurf wurde innerbetrieblich überprüft. Wir haben zu jedem Vorwurf Stellung genommen, das ist eine hochkomplizierte Kiste.“ Rund 100 Polizeibeamte hatten bei der Festnahme am Mittwoch an 13 Niederlassungen der Firma und in den Privatwohnungen der beiden Düsseldorfer Manager Kartons mit Akten beschlagnahmt. Hermann-Josef Tenhagen