Wenn der Koran attraktiver ist als die Disco

■ Türkische Jungs in Gröpelingen: Abends in den Club der Moschee statt ins Freizeitheim / Fatih-Moschee verstärkt Jugendarbeit

„Wir haben einen aus dem Vorstand der Fatih-Moschee beobachtet, wie er hier vom Schwarzen Brett die Angebote abgeschrieben hat“, berichten die MitarbeiterInnen des Gröpelinger Jugendfreizeitheims. Kurze Zeit darauf blieben immer mehr Jugendliche fort. Immerhin machten die türkischen Jungs bis dahin 80 Prozent der Besucher aus. „Die Fatih-Moschee muß ihr Freizeitangebot ausgebaut haben“, vermuten die PädagogInnen. Beide Einrichtungen liegen am Schwarzen Weg in Gröpelingen. War der Jugendclub der Fatih-Moschee einst äußerst beengt in der Moschee selbst untergebracht, hat er mittlerweile eigene Räume.

„Die Islamisierung merkt man den Jungs deutlich an“, sagt eine Betreuerin. Getrunken haben sie noch nie viel, aber in diesem Jahr haben plötzlich auch fast alle gefastet. Nicht-Fastende seien angemacht worden. Außerdem schimpften die Jugendlichen auf die Juden; der Modernisierer der Türkei, Atatürk, werde als „jüdischer Agent „ bezeichnet.

Was bietet der Jugendclub der Fatih-Moschee mehr als wir, fragen sich die PädagogInnen. Im Jugendfreizeitheim gibt es nicht nur die klassischen Beschäftigungsangebote wie Videogruppen und Discos, sondern auch eine Kochgruppe, an der bisher mit viel Freude 18-20jährige Männer teilnahmen. Die versuchten sich vier Stunden lang an einer Schwarzwälder Kirschtorte, bis beim dritten Versuch der Boden endlich mal nicht verbrannte. Die Jungsgruppe „die Paschas“, die sich einst in Reaktion auf eine Mädchengruppe gegründet hat, durfte sich nach eigenem Gusto einen Raum einrichten. Dazu können die Jugendlichen an Computern spielen oder auch in der Gruppe „Computer Creativ“ eigene Portrait-Fotos dahin verändern, wie sie am liebsten aussehen würden. All das gibt es im Jugendclub der Fatih-Moschee nicht.

Im Vereinsraum des Clubs sitzen rund 30 Männer im Alter von vielleicht 20 bis 35 Jahren, lesen Zeitung, trinken Tee. Im hinteren Teil spielen Jüngere Billard und Tischfußball. Eine Wand ist vollgehängt mit Fotos von Ausflügen und türkischen Abgeordneten der Refah Partisi, einer Partei, die, wie Hasan Yaman erklärt, „gegen den Imperialismus und den Zionismus“ arbeite.

An der Stirnseite des Raumes eine große Tafel mit den nächsten Veranstaltungen: Montags und mittwochs spielt man auf den Plätzen der türkischen Sportvereine Vartan oder Tura Fußball. Donnerstags, freitags und samstags werden für 19 Uhr „höher Gebildete“ aus den Moscheen eingeladen. Sie erzählen, wie man sich in einer Moschee benimmt, welche Gebetsaufgaben man zum Beispiel hat. „Zur Erholung“, sagt Yaman, gibt es anschließend einen Wunschfilm, meist action oder Karate.

„Man muß was bieten“, sagt Hasan Yaman, „die Religion wird ja nicht gleich akzeptiert.“ Mit Sport, Billard oder Kickerturnieren versucht der Club-Vorstand, die Jugendlichen zusammenzubringen. Mädchen und junge Frauen dürfen jedoch nicht mitmachen. Den jungen Müttern wird der Jugendclub dafür am Montag zur Verfügung gestellt: fürs Kaffeetrinken, religiöse Übungen oder Deutschkurse.

„Was soll daran fundamentalistisch sein, daß wir den Jugendlichen helfen, ihr Leben besser zu gestalten, daß wir uns kümmern, damit sie nicht auf der Straße stehen“, fragen die jungen Männer aus dem Vorstand. Das Vorurteil, daß die Fatih-Moschee fundamentalistisch sei, empört sie. „Wenn ein Christ in einer Partei ist, ist er ein Christdemokrat, aber wenn ein Moslem in einer Partei ist, dann ist er kein Demokrat mehr, sondern ein Fundamentalist.“

Den Jugendlichen scheint die religiöse Unterweisung zu gefallen: „Wir lernen hier unsere Kultur erst richtig kennen“, sagt der eloquente 19jährige Konstruktionsmechaniker Yildiray für die anderen. Solange der Koran nur von den gestrengen Lehrern in der Moschee gelehrt wurde, da wollte keiner hingehen. Aber jetzt in dieser Umgebung...

Früher sind sie durchaus mal ins Jugendfreizeitheim gegangen. „Aber da ist ja nur Freiheit“, meint Schüler Celal, „da wird man nur schlecht, da gibt es Alkohol und Haschisch“. Jetzt gehe er auch nur noch manchmal in die Disco, sagt er stolz. Die Freundin ohnehin nicht, das läßt er nicht zu. Christine Holch