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■ Zur Krise im europäischen WährungssystemMaastricht ist noch lange nicht tot

Die Totengräber stehen bereit: Wenn das Europäische Währungssystem (EWS) nun zu Grabe getragen wird, wollen sie die europäische Wirtschaftsunion gleich mit beerdigen. Die jetzigen Turbulenzen im EWS seien das Ende aller europäischen Träume – frohe Kunde für Maastricht-Gegner. Zweifellos befindet sich das EWS in einer seiner schlimmsten Krisen. Das letzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen. Diesmal haben sich die Spekulanten nicht nur auf ohnehin schwache Währungen am Rande des Systems eingeschossen wie letztes Jahr. Jetzt geht es gegen die Kernwährungen, vor allem den französischen Franc.

Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß die europäischen Regierungen jetzt einfach die Flinte ins Korn werfen. Sicher werden sie nicht zu einem Zustand wie vor 1972 zurückkehren, als jede Währung nach Gusto schwankte und eine berechenbare Wirtschaftspolitik innerhalb Europas kaum möglich war. Zudem trifft die Vermutung, die politische Union Europas hänge von festen Wechselkursen ab, nicht zu. Im Gegenteil: Bei den nun einmal existierenden fundamentalen Unterschieden in der Wirtschaftskraft der einzelnen Mitgliedsländer ist eine häufigere Anpassung der Wechselkurse sinnvoll und notwendig. Das derzeitige Währungschaos hat allerdings den Punkt, wo kleine Wechselkursänderungen noch etwas bringen würden, überschritten. Allzu deutlich werden jetzt die profunden Unterschiede in der französischen und der deutschen Wirtschaft. Frankreich mit seiner enormen Arbeitslosigkeit bei geringer Inflation braucht niedrige Zinsen; die Bundesrepublik mit ihrem hohen Staatsdefizit benötigt hohe, um die Inflation unter Kontrolle zu halten. Der Franc Fort, die starke Währung, ist jedoch eins der Kernstücke französischer Politik. Premier Edouard Balladur wird aber wahrscheinlich eine Abwertung des Francs hinnehmen, wenn er damit das EWS retten kann – denn die europäische Union ist der andere zentrale Bestandteil französischer Politik.

Auch Bonn wird das EWS unter allen Umständen verteidigen. Eventuell wird man dafür eine Aufwertung der D-Mark hinnehmen müssen, auch wenn dies Exportnachteile bringt. Eine Neufestsetzung der Wechselkurse innerhalb des EWS wird sich keinesfalls vermeiden lassen. Sie brächte allerdings nur eine Atempause; die fundamentalen Konflikte wären nicht gelöst. In dieser Situation schaut alles auf Bonn – nicht auf Paris und auch nicht auf Frankfurt, den Sitz der Bundesbank. Daß sich Frankreich bisher geweigert hat, eine Abwertung des Francs hinzunehmen, kann als Strategie interpretiert werden: Die Bundesregierung soll gezwungen werden, Druck auf die Bundesbanker auszuüben, endlich die Zinsen deutlich zu senken und notfalls eine gewisse Inflation hinzunehmen. Andernfalls wird die Bundesbank heftig zur Kasse gebeten, denn in den bestehenden EWS-Regeln muß sie bis zu einer Wechselkursänderung den Franc durch Stützungskäufe verteidigen. Nicola Liebert

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