Prügel im Stadion

■ Bewährungsstrafe für Angriff auf Werder-Fans

„Ich kenne die Leute gar nicht. Ich weiß nur noch, daß ich von drei anderen angegriffen worden bin und mich gewehrt habe.“ Das ist die Version von Thomas W. von den Schlägereien im Weserstadion vom 30. Oktober letzten Jahres. Die Staatsanwaltschaft sieht das ganz anders: in der Anklage warf sie Thomas W. im Verfahren beim Amtsgericht Bremen vor, in vier Fällen wahllos andere Zuschauer verletzt zu haben.

Am 30.Oktober spielte Werder gegen Wattenscheid 09. Thomas W. war, „wie oft am Wochenende, vor allem beim Fußball“ betrunken — „jenseits der Zwei- Promille-Grenze“, wie der Richter feststellt. Der Streit begann mit dem fünfzehnjährigen Schüler Florian B. Als Thomas W. meinte, der äffe ihn nach, stieß er ihn von hinten mit dem Kopf und rammte ihm sein Knie in den Magen. Als der unbeteiligte Frank H. vermitteln wollte, bekam er einen Faustschlag ins Gesicht.

In der Halbzeitpause schlug Thomas W. dem dritten Zeugen, ebenfalls grundlos, mit einem Schirm von hinten über den Kopf: Die Wunde mußte mit 10 Stichen genäht werden. In der zweiten Halbzeit schließlich bekam auch Frank H. den Schirm noch über den Kopf. Auch seine Platzwunde mußte im Krankenhaus genäht werden.

Kräftig und untersetzt, äußerlich gelassen, folgt Thomas W. der Verhandlung. Seine Haare waren „damals noch kürzer“, den Bundesadler trägt er als Anstecker an der Jacke. Keinen Schulabschluß, keine Lehre, eine ganze Latte von Jugendstrafen gibt er zu Protokoll. Alles paßt ins Bild vom gewalttätigen Fußballfan, der am Wochenende im Stadion Randale sucht. Aber Thomas W. sagt von sich selbst: „Ich bin kein Hooligan.“

Aufmerksam folgt er dem Prozeß, stellt den Zeugen Fragen, um ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Thomas W. weiß, worum es geht, denn er hat schon einige Verfahren wegen Körperverletzung, Diebstahl, Urkundenfälschung und Erpressung hinter sich. „Wenn das hier keine Jugendstrafen wären“, sagt Richter Mertens und pocht auf die Akten, „dann säßen Sie hier vor einem Schöffengericht.“ Thomas W. nickt und gibt sich vor Gericht einsichtig.

12 Monate Haft auf Bewährung fordert schließlich der Staatsanwalt. Die Zeugen seien glaubwürdig, Notwehr nicht erkennbar. Der Meinung ist auch der Richter: 11 Monate Haft auf Bewährung, 1000 Mark Geldstrafe und eine Warnung vor einer Wiederholungstat unter Alkoholeinfluß verkündet er dem Angeklagten. Lange habe er mit sich gerungen, ob er dem Werder-Fan Thomas W. ein Stadionverbot aufbrummen sollte, meint der Richter, doch er habe sich dagegen entschieden. Stadionverbot hat Thomas W. allerdings schon von Werder Bremen bekommen: „Das besteht weiter bis auf Widerruf.“ Bernhard Pötter