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Entdecker & Eroberer

■ Gut aufgelegt — Discjockeys in Bremen (1): Gerd Wichmann, Römer

Stellen wir uns den typischen Pop-Fan vor: Zunächst stolpert er über die Einstürzenden Neubauten; nach dem Abebben der Neuen Deutschen Welle ergötzt er sich am glamourösen britischen Pop der Marke „ABC“; schließlich stürzt er sich, so Mitte/Ende der 80er, vollends in den musikalischen Underground. Typische Spex-Sozialisation also. So einer wäre Gerd Wichmann und hörte nach Feierabend brav seine Plattensammlung durch — hätte er nicht irgendwann seine Pop-Leidenschaft zum Beruf gemacht: Gerd ist Discjockey.

Kommt 'ne Frau zum DJ. Ob das denn sein müsse, diese beknackten SWA-Songs zu spielen mit ihren erz-sexistischen Texten. Sowas freut den Wichmann: der Tanzboden als Diskussionsforum. Schließlich will der Mann mehr bewegen als nur den Tonarm.

Jenseits des Mainstream, mit dem die Plattenfirmen ihn als DJ bemustern, will Wichmann nämlich seinem Tanzpublikum im Römer auch die unzugänglicheren Ecken des Pop-Dancefloor erschließen. Dazu muß er natürlich selbst bei „Überschall“ und Konsorten nach Import-Raritäten stöbern gehen. Natürlich müsse er mitkriegen, „wie die Trends laufen“ — aber nur, um ihnen bloß nicht hinterherzulaufen. Die allgemeine Rave-Begeisterung kann ihn da nicht mehr recht jucken; längst schlägt er seinem Publikum ein wildgemixtes Dancefloor- Programm um die Ohren.

Nicht immer zur Freude der kleinen Römer-Gemeinde mischt er mit geradezu missionarischem Eifer auch Hiphop unter die Leute. Selbst heimische Pflänzchen wie No Remorze oder Saprize fördert er nächtens zutage. Das sei eben das Gute an kleineren Clubs: Da wird die Anderthalb- Quadratmeter-Kanzel zur wahren Experimentierbühne. Und siehe: Schon verstummen die Klagen — der DJ hat einmal mehr obsiegt. Ja, doch, auf Tanzbarkeit und eine gewisse Poppigkeit achte er ja schon, sagt Wichmann. Das muß sein. „Aber was ich mir immer noch rausnehme, ist, daß nicht das Publikum das Programm verändert, sondern ich.“ tom

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