Martwirtschaft ja, Großgrundbesitz nein

■ betr.: "Junkerhand grabschte vergeblich nach Bauernland", taz vom 24.7.93

betr.: „Junkerhand grabschte vergeblich nach Bauernland“,

taz vom 24.7.93

Ökonomische Krisen entstehen in einer Gesellschaft, wenn zu viele ihrer Angehörigen ausgegrenzt werden. Je näher die Welt technisch und wirtschaftlich zusammenrückt, desto weiter müssen wir den Gesellschaftsbegriff auch ausdehnen. Sozialer Sprengstoff entlädt sich selten in großen Unruhen und Umstürzen, sondern in Form von Drogenmißbrauch, Radikalismus (von Rechts und Links), Aus- bzw. Abwanderung und Kriminalität. Damit wird es erst recht eng an den so leidenschaftlich (z.B. durch die jüngste Grundgesetzänderung beim Asyl) verteidigten Freßnäpfen.

Viele (auch deutsche) Auswanderer fanden in Amerika Land, Demokratie und Zugang zu Ressourcen, die ihnen hier durch Monarchie und ein feudales Bodenrecht verwehrt blieben. Enteignet wurden, statt der Adligen hier, dort dafür die Ureinwohner. Erst dadurch konnten die Auswanderer ihre wahren ökonomischen Fähigkeiten richtig entfalten.

Boden ist eine nicht vermehrbare Ressource und sollte damit im Interesse unserer eigenen Lebensqualität (niedrigere Preise, Steuern und Mieten) auch vergesellschaftet und demokratisch verwaltet werden. Boden soll denen gehören, die ihn optimal nutzen, Verkehrswertsteigerungen von Grundstücken sind in der Regel nicht durch Unternehmer bedingt, sondern durch lokale gesellschaftliche Gegebenheiten, haben deshalb auch der Allgemeinheit zu nützen.

Um die Krise zu überwinden, brauchen wir ein anderes gesellschaftliches Klima in diesem Land. Mit Chancen darf nicht gegeizt, sondern muß gewuchert werden. Der Schlüssel zur Entfaltung von nicht destruktiver Produktivität , also eines nachhaltigen Wirtschaftens, liegt in der Flexibilität bei der optimalen Verteilung der Produktionsfaktoren. Auf deutsch heißt das: Wir brauchen eine Bildungsreform mit dem Ziel, SchülerInnen Marktwirtschaft lebendig nahezubringen (z. B. durch Projekte), wir brauchen ein anderes Kreditwesen, bei dem die Guthabenseite sich aktiv um Investitionsmöglichkeiten bemühen muß und nicht umgekehrt Firmen und Projekte sich die Hacken nach Geldmitteln ablaufen müssen, und wir brauchen dringend eine Bodenreform.

Gesellschaftliche Innovation, sei es bei Anbaumethoden, sei es im Bereich des Zusammenlebens, sei es für die Selbstverwaltung oder die Kunst, braucht eben auch Raum, der bezahlbar ist. Wir leisten uns davon viel zu wenig.

Unsere Wirtschaft und unser Bodenrecht funktioniert immer noch nach Gottes Gnaden. Das ist im 20. Jahrhundert ein Skandal. Diese längst überfällige Bodenreform müßte endgültig vom Privateigentum Abschied nehmen. Gute Alternativen dazu gibt es reichlich. Sei es die gute alte Erbpacht, seien es Pachtsysteme mit kontinuierlicher gesellschaftlicher Abschöpfung der Verkehrswertsteigerungen oder seien es fortschrittlichere Systeme einer nutzungsdifferenzierten Nutzungsabgabe in kommunaler Selbstverwaltung.

Daß adeliger Großgrundbesitz mit Privateigentum im bürgerlichen Sinne verwechselt wird, ist zudem ein historisches Mißverständnis. Dieses Land ist ihnen von den damaligen Repräsentanten der Gesellschaft eigentlich nur geliehen, d.h. zeitweilig zur Nutzung überlassen worden. Daraus für alle Generationen ein uneingeschränktes Nutzungsrecht abzuleiten, verdreht die historischen Tatsachen enorm, die man immer im Zeitkontext sehen muß. Geadelt wurde immer leistungsabhängig (zum Beispiel für Kriegsdienste). Die Erben haben dazu in der Regel ab der zweiten oder dritten Generation schon gar keinen Bezug mehr.

Die Sprößlinge reicher Familien haben zudem durch ihren unmittelbaren Zugang zu den gesellschaftlich einflußreichen Kreisen und durch optimale Bildungsvoraussetzungen schon genug Chancen, ihr Leben privilegiert zu meistern. Ein anderes Erbrecht und eine Bodenreform entbänden sie zudem von der oftmals sehr drückenden Verpflichtung in Vaters Fußstapfen treten zu müssen und würde zudem manches konkurrenzfähige Unternehmen davor bewahren, wegen Mißmanagement familiärer Führungskräfte vom Markt zu verschwinden.

Franz zu Puttbus hat mit vielen anderen Adeligen bewiesen, daß er auch ohne 15.000 Hektar Land ein erfolgreicher und sehr wohlhabender Unternehmer sein kann. [...] Samuel J. Fleiner,

Wiesenbach/Baden