„Bio-Kunststoffe“ sind nicht umweltfreundlich

■ Eine Studie belegt: Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen bringen keine Lösung der Umweltprobleme

Der kunststoffverarbeitenden Industrie kann nicht empfohlen werden, auf biologisch abbaubare Produkte umzusteigen, die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. „Die ökologischen Folgen ihres Anbaus bzw. ihrer Verwendung sind nicht nur vollkommen unzureichend untersucht worden, sondern nach bisherigen Wissensstand eher negativ zu beurteilen.“ Diese Schlußfolgerung zog die Kunststoff-Initiative Schleswig-Holstein, ein Zusammenschluß mehrerer Industrieunternehmen, aus einer Studie, die sie bei der Forschungsstelle für Ökosystemforschung und Ökotechnik der Kieler Universität in Auftrag gegeben hatte. Die Kieler WissenschaftlerInnen sollten der Frage nachgehen, ob es überhaupt ausreichende und verläßliche „Ökobilanzen“ über die Folgen von Anbau und Verwendung der nachwachsenden Rohstoffe gebe.

Von den etwa 100 Millionen Tonnen Kunststoff – ein Drittel davon für Verpackungen –, die jährlich weltweit produziert werden, ist lediglich ein kaum wahrnehmbarer Teil aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Verwendung finden die angeblich so umweltfreundlichen „Bio-Kunststoffe“ hauptsächlich für kurzlebige Wegwerfartikel wie zum Beispiel Verpackungen, Einmal-Eßbestecke oder Plastikfolien. Die meisten der auf dem Markt befindlichen „Bio- Kunststoffe“ lassen sich aus den pflanzlichen Inhaltsstoffen Stärke, Pflanzenöl, Zucker oder Cellulose herstellen. Diese Ausgangssubstanzen werden entweder chemisch modifiziert und zum Endprodukt verarbeitet oder dienen als Kohlenstoffquelle für Bakterien, die in großen Bioreaktoren die gewünschten Kunststoffe produzieren.

Obwohl nachwachsende Rohstoffe und die daraus hergestellten biologisch abbaubaren Kunststoffe häufig als ein Lösungsweg aus der Umweltkrise gepriesen werden, mußten die Kieler WissenschaftlerInnen feststellen, daß es für „Bio-Kunststoffe“ keinerlei umfassende Ökobilanzen gibt. Die wenigen Studien, die zu diesem Bereich vorliegen, beschränken sich fast nur auf das Verhältnis von Energieaufwand und -gewinn. Daten zu den umweltrelevanten Bereichen des Anbaus, der Verarbeitung und der Entsorgung sind so gut wie nicht vorhanden. Ebenso fehlen Untersuchungen der ökonomischen und sozialen Folgen, die bei verstärkter Verwendung von Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen auftreten können.

Bedenken werden von den Ökosystem-ExpertInnen für den Bereich des landwirtschaftlichen Anbaus der Rohstoff-Pflanzen angemeldet. Sie befürchten, daß es zu einem noch intensiveren Anbau von Monokulturen kommt, so daß die durch die Landwirtschaft verursachten Umweltprobleme noch verschärft werden. Insbesondere muß davon ausgegangen werden, daß ein noch intensiverer Anbau von Monokulturen nicht nur zu einem höheren Energieaufwand führt, sondern es auch zu einem verstärkten Einsatz von Pestiziden kommt. Bemängelt wird, daß bei den ausgewerteten Studien über nachwachsende Rohstoffe noch nicht einmal die Erfahrungen aus dem Anbau von Nahrungsmittelpflanzen miteinbezogen wurden, obwohl dies sinnvoll, möglich und notwendig wäre.

Ein Problem stellt für die Kieler WissenschaftlerInnen auch die unklare Verwendung des Begriffes „biologisch abbaubar“ dar. Es gebe keine einheitliche Verwendung für diese Eigenschaft. Dabei besteht doch ein gravierender Unterschied, ob ein Kunststoff in ein paar Wochen, in einem Jahr oder sogar erst in mehreren Jahrzehnten abgebaut ist. Es sei daher sehr schwierig, die Ergebnisse der verschiedenen Studien miteinander zu vergleichen.

Eine Arbeitsgruppe der Stuttgarter Universität hatte zudem schon vor einiger Zeit bei Versuchen mit einer im Handel befindlichen Shampooflasche aus einen „Bio-Kunststoff“ namens Biopol nachgewiesen, daß auch Unterschiede bestehen, zwischen Laborversuchen und dem Zerfallsprozeß auf einer Mülldeponie oder in einer Kompostanlage. Was im Labor nur einige Wochen dauert, kann auf einer Deponie unter Umständen Jahrzehnte dauern.

Zu berücksichtigen sei auch, so wird in der Studie vermerkt, daß es eigentlich aus Gründen des Naturschutzes notwendig sei, 10 bis 15 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche als Schutzgebiete auszuweisen. Nachwachsende Rohstoffe würden somit in Konkurrenz zum Naturschutz treten.

In der Studie werden zwar viele Fragen gestellt und ein dringender Forschungsbedarf reklamiert, aber auf die naheliegenste Möglichkeit, das Müllproblem zumindest ein bißchen zu entschärfen, wird leider nicht eingegangen: Insgesamt weniger Verpackungsmüll zu produzieren. Wolfgang Löhr