„Ein miserabler politischer Racheakt“

■ Werner Orlowsky über die Razzia und seinen einstigen Kreuzberger Rivalen Momper: „Er ist wohl einer, der selber gerne den Großkotz macht“

taz: Wie fühlt man sich so unvermutet als des Einbruchs dringend verdächtig?

Werner Orlowsky: Ich bin zornig. Ich frage mich, was denn dies für ein Rechtsstaat sein will, der es zuläßt, daß ebenso haltlose wie absurde Anschuldigungen zu solch massiven Maßnahmen wie einer Hausdurchsuchung mit Gefahr im Verzuge führen. Ich hatte mit diesem Einbruch überhaupt nichts zu tun. Als ich dem Durchsuchungsbeschluß entnommen hatte, daß die Firma Ell-Bau diese Aktion veranlaßt hatte, war mir sofort klar, daß es sich nur um einen miserablen politischen Racheakt, um eine Intrige handeln kann; möglicherweise von Walter Momper persönlich, weil seine Firma den Prozeß vor dem Landgericht gegen mich verloren hatte.

Sie kennen Walter Momper noch aus seiner Zeit als Kreuzberger SPD-Vorsitzender. Wie beurteilen Sie seinen Werdegang?

Unmittelbar nach meiner Wahl zum Kreuzberger Baustadtrat kam ein Fernsehteam, und für die gingen Momper und ich untergehakt die Dresdener Straße einmal rauf und runter. Damals erschienen wir wie ein Herz und eine Seele. Aber in dem Maß, in dem ich als absoluter Quereinsteiger – innerhalb eines halben Jahres aus meiner Drogerie in das Rathaus – immer populärer wurde, ging Momper auf Distanz. Er ist wohl einer, der selber gerne den Großkotz macht. 1985, nachdem die AL in Kreuzberg vor allem auf Kosten der SPD von 16 auf 26 Prozent der Stimmen hochgeschnellt war, hat er dann mit fast allen Mitteln versucht zu verhindern, daß ich wiedergewählt werde. Schließlich wurde ich mit den Stimmen der CDU, gegen die der SPD für eine zweite Amtsperiode gewählt.

Diese politische und persönliche Rivalität ist eine Sache, aber hätten Sie erwartet, daß Momper so radikal die Seite wechselt?

Nein. Ich war bestürzt darüber. Trotz aller Feindschaft. Als ich ihn kurz nach seinem Wechsel zu den Spekulanten zufällig traf, sagte ich zu ihm: „Es ist Ihre Sache, aber eigentlich kann ich Sie nicht verstehen.“ Er antwortete nur: „Sie verstehen so manches nicht.“ Aber das verstehe ich wirklich nicht: Erst mimt er mit seinem roten Schal den Anwalt der kleinen Leute, und dann verdingt er sich bei einer solchen Firma.

Was wissen Sie, der Sie in Sanierungsgebieten Mieter beraten, über die Ellinghaus-Firmengruppe?

Die Ellinghaus-Gruppe trat in der Bauszene erstmals prominenter in Erscheinung, als sie auf dem Gleisdreieck in Kreuzberg ein pompöses Yorck-Plaza hinstellen wollte – was meine Nachfolgerinnen und alle Parteien abgelehnt haben. Bald darauf bekam ich Informationen, nach denen die Ellinghaus-Firmen Abschreibungsgesellschaften gründen, Kapital sammeln, Mietshäuser kaufen und die modernisieren, was im Regelfall eine Vertreibung der angestammten Mieter mit sich bringt. Schließlich wurde mir klar, daß sie sogar darauf abzielen, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln.

Die Springer-Presse hat die Hausdurchsuchung zum Anlaß genommen, Sie in bekannter Manier durch den Dreck zu ziehen. Wollen Sie sich dagegen wehren?

Eigentlich ist es mir zu blöde. Ich bin nicht mehr so rachsüchtig, wie ich es als Kind einmal war. Ich bin jetzt 66, und im Alter wird man milder. Aber da die Bild-Zeitung wieder meine Tochter mit reingezogen hat, die damit nicht das geringste zu tun hat, prüft mein Anwalt, ob wir nicht sowohl gegen dieses Blatt als auch gegen die Verursacher, die mich möglicherweise wissentlich falsch angeschuldigt haben, auch juristisch vorgehen werden. Vielleicht wäre ein kleiner Denkzettel doch das Richtige, denn es hindert einen ja nichts daran, bei der Wahrheit zu bleiben.