Christopher trat Nahost-Reise an

■ Kairo als erste Station / Libanesische Armee soll Waffenruhe im Süden durchsetzen / Soldaten rücken auf UNO-Gebiet vor / Hisbollah wollen ihre Angriffe in der sogenannten "Sicherheitszone" fortsetzen

Alexandria/Beirut/Tel Aviv (dpa/AP) – US-Außenminister Warren Christopher ist gestern zum Auftakt seiner Nahost-Mission in der Hafenstadt Alexandria mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak zusammengetroffen. Während seines einwöchigen Aufenthaltes im Nahen Osten will Christopher versuchen, den festgefahrenen Friedensprozeß zwischen Israel, den Palästinensern und seinen arabischen Nachbarn wieder zu beleben und ein neues Aufflackern der Kämpfe in Südlibanon zu verhindern.

Christopher war am Montag morgen in Kairo vom ägyptischen Außenminister Amre Mussa empfangen worden. Mussa hatte ihn über seine Gespräche mit PLO- Chef Jassir Arafat informiert. Arafat hatte Mussa mehrere Vorschläge zum Nahost-Friedensprozeß für Christopher übermittelt, ohne allerdings Einzelheiten zu nennen. Seine Nahost-Mission wird Christopher noch nach Israel, Syrien, Jordanien und unter Umständen nach Beirut führen.

Die libanesische Führung hat unterdessen die Armee aufgefordert, in die bisher von der UNO- Truppe kontrollierten Gebiete im Süden des Landes vorzurücken und dort dafür zu sorgen, daß die mit Israel vereinbarte Waffenruhe eingehalten wird. Dies verlautete gestern in Beirut, nachdem die Regierung einen entsprechenden Beschluß gefaßt und darüber mit UNO-Generalsekretär Butros Ghali gesprochen hatte. Diese Entwicklung bedeutet nach Ansicht von Beobachtern eine erhebliche Einschränkung des Spielraums der Hisbollah und radikaler Palästinensergruppen.

Der Beschluß der libanesischen Regierung, der eine wesentliche Änderung der bisherigen Politik bedeutet, wurde am Sonntag abend in einer Sondersitzung in Beirut gefaßt, wie Informationsminister Michael Samaha anschließend mitteilte. Am Montag erläuterten Militärkreise, in den Städten Saida und Tyrus würden Truppen bereitgestellt, die nun in das Gebiet nördlich der von Israel beanspruchten Sicherheitszone in Südlibanon einrücken sollten. Sie würden ihre neuen Stellungen beziehen, sobald die UNO formell ihre Zustimmung erteilt hätten. Ministerpräsident Rafik Hariri habe in der Nacht zum Montag in einem Telefongespräch mit Ghali bereits dessen Einverständnis eingeholt.

Jetzt sollen Einzelheiten der Stationierung in Gesprächen mit den Kommandeuren der UNO- Truppe in Libanon (UNIFIL) geklärt werden, erklärten die Militärkreise. „Dieser Prozeß wird einige Zeit in Anspruch nehmen“, sagte ein Offizier. „Die Stationierung wird nicht schon heute stattfinden.“ Die UN-Streitmacht steht seit 1978 im Süden Libanons und umfaßt zur Zeit 5.300 Mann aus Frankreich, Irland, Schweden, Finnland, Norwegen, Ghana, Fidschi, Nepal, Polen und Italien.

Nachdem am Wochenende die Waffenruhe in Kraft getreten war, mit der die israelische Offensive beendet wurde, rückten am Sonntag bereits libanesische Soldaten in Dörfer des Südens ein und begannen mit umfassenden Durchsuchungen. Sie errichteten Kontrollpunkte, zogen Waffen ein und beschlagnahmten auch Raketen vom Typ Katjuscha, wie sie von Kämpfern der Hisbollah bei Angriffen auf Nordisrael eingesetzt wurden. Die israelische Führung hatte erklärt, die Feuerpause beruhe auf der Zusicherung, daß die Hisbollah keine Raketengriffe gegen Israel mehr unternehmen werde.

Scheich Hassan Nasrallah, der Führer der Hisbollah, sagte in Beirut, seine Kämpfer würden „die Widerstandshandlungen gegen den Feind“ fortsetzen. Er erklärte weiter: „Wir haben damit aufgehört, Katjuscha-Raketen abzufeuern, weil Israel seine Angriffe auf unser Volk in der Luft, zur See und mit Artillerie eingestellt hat.“ Dies wurde als Ankündigung gewertet, daß Angriffe auf die „Sicherheitszone“ und die dort stationierte, mit Israel verbündete SLA-Miliz, nicht aber gegen Nordisrael weitergingen. Bereits am Sonntag kam es zu zwei Gefechten zwischen Guerillas und Milizionären.